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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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kam, ich war blind.«
    »Als Kinder sagten wir früher: Selbsterkenntnis ist das erste Loch im Wasserkopf. Ein ziemlich mieser Spruch, aber wahr.«
    Die Kröte Friederike unkte am Teich, wahrscheinlich hieß das, dass das Leben herrlich war. Dann kam Satchmo mit hoch erhobenem Schwanz des Weges und suchte Gesellschaft. Die Schwalben schossen waagerecht vor der Terrasse vorbei und brachten das Abendessen für die Kinder. Es war geradezu beängstigend friedlich. Die jungen Amseln oben unter meinem Dach absolvierten die letzte Flugübung des Tages und schnatterten dabei so aufgeregt, dass man meinen konnte, sie stotterten. Die gelben Schwertlilien am Teich schlossen die Blüten und gingen zur Ruh. Peter und Paul, meine neuen Koikarpfen, zogen friedlich letzte Bahnen. Im Grunde war diese romantische Abendszene ganz und gar unwirklich.
    Das Scheppern meines Telefons zerstörte dann auch die Stimmung. Unwillig nahm ich ab.
    »Hör zu«, sagte Rodenstock eilig. »Der Vater des getöteten Mädchens ist weg, spurlos verschwunden. Er heißt Rainer Darscheid und fährt einen Volvo Kombi V70, dunkelrot. Es besteht die Möglichkeit eines Selbstmordes und …«
    »Moment, Moment, nicht so hastig. Wird er verdächtigt?«
    »Nein, nicht im Geringsten. Der Mann kann mit dem Tod seiner Tochter nichts zu tun haben. Kischkewitz und ich fahren jetzt nach Hildenstein, wir wollen uns an der Suche beteiligen. Sechzig Feuerwehrleute sind schon unterwegs.«
    »Noch nicht auflegen, noch eine Frage: Was sagt die Ehefrau?«
    »Dass sie keine Ahnung hat.«
    »Ich muss los«, wandte ich mich an Vera. »Es ist wichtig.«
    »Kann ich noch eine Weile bleiben?«, fragte sie.
    »So lange du willst. Hake einfach die Terrassentür ein, dann kann nichts passieren. Du kennst das ja.«
    Wohin zieht sich ein Vater zurück, dessen einzige Tochter ermordet worden ist?
    Wahrscheinlich fegte er wie ein Wahnsinniger über die Autobahn in Richtung Trier oder Koblenz. Wahrscheinlich war er längst über alle Berge oder tot. Solch einen Menschen zu suchen schien mir so etwas wie eine unlösbare Aufgabe zu sein.
    Und ich wusste nicht einmal, seit wann er verschwunden war. Ich wusste nicht, ob er aus Hildenstein stammte oder aus einem anderen kleinen Dorf. Ich wusste gar nichts über ihn.
    In Niederehe kam mir die Idee, bei Markus Schröders Landgasthof zu halten. Möglicherweise konnte Markus mir helfen.
    Die Kneipe war wie üblich brechend voll. Es gab Leute vom Golfplatz, die hier aßen, und es gab Leute aus dem Dorf, die den Tag bei einem Bier ausklingen ließen. Blaumänner hockten neben berufsmäßigen Krawattenträgern – genau das machte die Faszination der Gaststätte aus.
    Ich drängelte mich ans Ende der Theke. »Markus, ich habe es sehr eilig. Du weißt doch von dem Mord. Was weißt du über die Eltern?«
    »Du suchst den Vater?«, erwiderte Markus, ohne erstaunt zu sein. Es geht eben nichts über die Schnelligkeit von Buschtrommeln. »Nun, der Darscheid kommt nicht aus Hildenstein, er stammt aus Neroth.«
    »Hast du eine Ahnung, mit wem er zusammen war, ehe er seine Frau kennen lernte?«
    Er begriff sofort, worauf ich hinauswollte. Er sah mich kurz und eigentlich nichts sagend an. Dann nickte er und holte das Telefon aus der Ecke. Er wählte eine Nummer und legte dann auf Eifler Platt los, dass ich kein einziges Wort verstand. Schließlich verabschiedete er sich mit »Mach et jood!«.
    »Also, er war fünf Jahre lang mit einer Agnes zusammen. Sie wollten heiraten, aber irgendwas klappte nicht. Die Agnes war damals, daran kann ich mich gut erinnern, ein wilder Feger. Sie stammt auch aus Neroth. Inzwischen ist sie verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Birgel, aber ich weiß nicht, wie sie nun heißt.«
    »Und wie hieß sie früher?«
    »Schmeling, wie der Boxer.«
    »Ich liebe dich«, sagte ich und verließ seine Kneipe.
    Birgel, warum nicht Birgel? Warum sollte ich nicht nach Birgel düsen, wo ich sowieso für jedes Aspirin zwanzig Kilometer zurücklegte? Das ist der Fluch einer Behausung in der Provinz: Fast nie kannst du was zu Fuß erledigen.
    Ich drückte das Gaspedal durch, so weit es vertretbar war. Der Tag verabschiedete sich, die Sonne war rot und golden und über der ersten Gaststätte in Birgel leuchtete schon die Bierreklame. Ich betrat den Schankraum, er war gähnend leer. Nur am Spielautomat stand schwankend ein Mann und glaubte fest an sein Glück.
    Der Wirt war eine Wirtin, sie stand klein, kompakt und mächtig in einer Küchenschürze

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