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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Zimmer der Mordkommission. Der Mann dort erwartete mich bereits, fragte nicht lange, legte zwei DIN-A4-Blätter vor mich hin und sagte: »Nicht kopieren, nicht fotografieren, nur lesen.«
    Der erste Brief lautete:
     
    Ihr Lieben!
    Nun ist es so weit, dass ich die Last nicht mehr tragen kann und auch nicht mehr tragen will. Ich scheide freiwillig aus dem Leben, weil ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiß, dass man mich durch den Dreck ziehen wird. Und es wird auch die Familie treffen, niemand wird Rücksicht nehmen auf menschliche Würde und …
     
    Der zweite Brief war schon etwas länger:
     
    Ihr Lieben!
    Es fällt mir schwer, aus diesem Lehen zu scheiden, aber es muss sein. Als ich vom Verschwinden Annegrets erfuhr, als ich dann hörte, dass sie ermordet worden ist, wusste ich, dass man mich durch den Dreck ziehen wird. Ich habe niemals in meinem Leben Kinder oder Jugendliche missbraucht, aber immer schwebte über mir das Damoklesschwert einer öffentlichen Hinrichtung. Menschen können verdammt grausam sein. Ich sehe keine Hoffnung mehr. Hinzu kommen die Ränkespiele der Politik, in der jeder nur nach seinem Überleben strebt und in der man Freunde nicht kennt. Das will ich nicht mehr aushalten müssen, das ist einfach …
     
    Die Handschrift war schnörkellos, leicht nach rechts geneigt, sie lief schnell und flüssig.
    Ich fragte den Kriminalbeamten: »Ist bekannt, wen er mit ›Ihr Lieben‹ meinte?«
    »Wir haben keine Ahnung«, antwortete er.
    »Weiß man überhaupt von engen Freunden?«
    »Nein. Aber wir arbeiten an dieser Spur auch nur auf der C-Basis, das heißt, sie ist nicht wichtig, solange nicht neue Hinweise bekannt werden, die sie wichtig machen. Der Selbstmord ist schließlich nicht anzuzweifeln.«
    »Was war Burscheid eigentlich von Beruf?«
    »Er war Imker. Ziemlich erfolgreich.«
    Ich bedankte mich und ging hinaus.
    Ich begab mich zum zweiten Mal an diesem Tag zu Annegrets Elternhaus. Ich schellte und Rainer Darscheid öffnete mir.
    »Das ist jetzt schlecht, die Kripo ist hier«, sagte er leicht verlegen.
    »Nur eine schnelle Frage: Weißt du, ob Toni Burscheid einen besonders engen Freund hatte?«
    »Ja, den Gustav Mauren in Wiesbaum. Warum?«
    »Nur so. Mach es gut. Ich melde mich, wenn ich auf etwas Neues stoße.«
    Mein nächster Weg führte mich also nach Wiesbaum. Dort fragte ich eine alte Frau in einem Vorgarten, wo Gustav Mauren wohnte, und stand dann vor dem Haus. Es war ein alter Bauernhof, der offensichtlich nicht mehr bewirtschaftet wurde, denn das Betonviereck der Miste war ausgeräumt und leer, die grünen Türen der Stallungen waren zwar erst kürzlich neu lackiert worden, wurden aber offensichtlich nicht mehr benutzt, denn die Schlösser hatten Rost angesetzt. Im Wohnteil des Hauses schienen die Fenster vergrößert worden zu sein. Das Ganze machte einen aufgeräumten, ordentlichen Eindruck, so als habe hier jemand sein lange erträumtes Haus bezogen.
    Es gab keine Klingel, also klopfte ich kräftig an die Tür.
    Der Mann, der mir öffnete, war gut zwei Meter groß, etwa fünfundvierzig Jahre alt, gekleidet in einen Jeansanzug mit einem grellroten Hemd. In dem Augenblick, als er etwas sagen wollte, schrie im Hintergrund eine weibliche Stimme:
    »Fährst du mich jetzt nach Köln oder nicht?«
    Der Mann drehte den Kopf und röhrte zurück: »Kommt nicht infrage!«, dann wandte er sich zu mir und fragte: »Ja, bitte?«
    »Ich würde gern mit Ihnen sprechen.«
    »Und worüber?«
    »Über Toni Burscheid«, sagte ich.
    »Über den Toni, so, so. Haben Sie heute schon Zeitungen gelesen?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Und wer sind Sie?«
    »Siggi Baumeister heiße ich. Ich bin Journalist.«
    »Ich sage kein Wort, aber ich zeige Ihnen die Überschriften. Kommen Sie mal mit.«
    Vom Flur führte eine Tür nach rechts in die Küche. Mauren hatte alles an Zeitungen auf dem Tisch liegen, was man in der Eifel kaufen konnte. Er nahm die Zeitungen Stück für Stück hoch. Der Onkel war ein Pädophiler konnte ich lesen. Der Bürgermeister liebte kleine Kinder und Wollte Annegret nicht, was Onkel Toni wollte ? Ich mochte nicht mehr hinsehen, das war genau das, was wir alle erwartet hatten: Die Vernichtung eines Toten – und es war eine Bankrotterklärung meines Berufsstands.
    »Ich gehöre nicht zu diesen Schreibern«, sagte ich.
    »Aha, dann machen Sie sicher Filme, oder?«
    »Nein, das auch nicht. Ich arbeite für ein Magazin in Hamburg. Ich habe erfahren, dass Sie ein

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