Eifel-Träume
auf.
»Es war allen klar, dass Toni Kinder liebte. Nicht so, dass er sie missbrauchte. Aber er fühlte sich zu Kindern hingezogen. Es kam vor, dass er einen kleinen Fußballer vor Begeisterung auf den Kopf küsste und sagte: Ich liebe dich. Und dann passierte die Sache mit der Vulkanasche. Die Nachbargemeinde teilt sich mit Eulenbach einen Berg und die Nachbargemeinde hatte erlaubt, auf ihrer Seite das Vulkangestein abzubauen. Jetzt, nach fünfzig Jahren, ist dort Schluss. Doch für die Seite, die zu Tonis Gemeinde gehört, gab es keine Genehmigung. Hier steht Hochwald, in der Hauptsache Buchen, aber auch schlanke Eichen. Und es gibt viel Rotwild, seltene Pflanzen und seltene Vögel. Toni wollte den Abbau nicht und die meisten Einwohner haben sich dieser Meinung angeschlossen. Andere sind dafür, sagen: Wenn wir den Abbau genehmigen, spült das Geld in die Kasse, viel Geld. Toni wusste, dass diese Leute Recht hatten. Aber er wusste auch, dass es wichtig ist, mit der Natur vorsichtig umzugehen. Und er argumentierte: Leute, wir werden mit unserem prächtigen Hochwald Touristen in unser Dorf locken. Das ist mühsam und langwierig, aber auf Dauer wird der Wald ein Magnet sein …«
»Eine Zwischenfrage. Wer steckt denn hinter dem Abbau?«
»Na, der Schmitz aus Hildenstein natürlich. Er ist der Größte und will die Zukunft seiner Firma sichern. Das ist ja auch berechtigt, aber das ändert nichts daran, dass Schmitz vorging wie ein Gangster im Chicago der Zwanziger. Schmitz hatte bei der übergeordneten Behörde in Trier vorgefühlt. Die Behörde war durchaus geneigt, ihm zu helfen und den Abbau zu genehmigen. Wobei bei einem solchen Verfahren heutzutage unglaublich viele Institutionen mitreden. Vom Ministerium in Mainz über die Leute vom Naturschutz bis zu den Forstbehörden. Aber eines war klar: Ohne die Zustimmung der Ortsgemeinde läuft nichts …«
»Moment, nicht so schnell. Dieser Schmitz ist der Vater von dem vierzehnjährigen Kevin Schmitz, richtig?«
»Genau. Herbert Schmitz ist ein harter Mann. Er tauchte also bei Toni auf und sagte, er brauche die Genehmigung und Zustimmung der Ortsgemeinde. Toni sagte Nein. Die Ortsgemeinde brauche sanften Tourismus und keine Baggerlöcher von dreihundert Meter Durchmesser und einen Berg, der langsam, aber sicher platt gemacht wird. Es kam zum Streit, Schmitz drohte ganz unverhohlen, Toni solle sich warm anziehen. Ich glaube, dass Toni die Gefahr nicht richtig einschätzte. Drei Tage später jedenfalls waren sechs Bienenvölker von Toni tot. Jemand hatte nachts die Stöcke mit Paralspray eingenebelt. Dabei geht auch jedes Kilo Honig flöten, das im Stock ist, die Kästen müssen ausgewechselt werden, neue Bienenvölker müssen her. Das sind tausende Euro Schaden. Toni kam erschüttert zu mir. Ich sagte zu ihm, das sei meiner Meinung nach erst der Anfang. Und so war es auch. Tage später waren vier weitere Bienenvölker tot, wieder Paral. Und dann kam das Kindersommerfest. Sicher zweihundertfünfzig Kinder waren da. Auch das fand auf der Wiese vor Tonis Haus statt. Mit Karussell und Hüpfburg, Kinderschminken und Sackhüpfen. Ich war auch da, daher weiß ich das. Gegen zehn Uhr abends war es dann vorbei, die meisten Kinder und ihre Eltern waren weg. Nur ein Mädchen war noch da und wir wussten erst nicht, wo die Eltern steckten, aber dann entdeckte ich den Vater beim Bierpavillon. Er war ziemlich betrunken. Die Mutter schwätzte daneben mit Freundinnen. Als ich sie ansprach, nahmen sie Sandra und fuhren heim. Toni, ich und ein paar andere haben dann noch alles abgebaut. Es war eine Heidenarbeit, das ging bis morgens um vier.«
»Sie waren also die ganze Zeit dort?«
»Richtig. Meine Tochter übrigens auch. Sie machte Dienst an der Hüpfburg, weil die Kinder da immer besonders wild sind. Zwei Tage später, also am Montag, tauchten Kriminalbeamte bei Toni auf und sagten, er müsse mit ihnen kommen. Sie haben nicht gesagt, was vorlag, sie haben nur gesagt, sie brauchten seine Aussage. Also ist er mitgefahren. Im Präsidium haben sie ihn konfrontiert mit einer Aussage von Sandras Eltern und von Sandra selbst. Demnach sollte Toni Sandra mit in sein Haus genommen und das Mädchen … ja, betatscht haben. Das konnte gar nicht sein! Na ja, jedenfalls haben sie ihn erst mal zwei Tage in U-Haft gesteckt. Sie sagten, die Beschuldigung sei so schwer, dass sie kein Risiko eingehen könnten, und …«
»Hat ihn denn sein Anwalt nicht sofort wieder da rausgeholt?«
»Den durfte
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