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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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sicherlich zwanzig solcher Briefe. Wenn Ihnen das weiterhilft, können Sie die haben.«
    »Nein, ich brauche sie nicht. Toni Burscheid hat zwei Abschiedsbriefe angefangen und keinen zu Ende geführt. Ich nehme an, dass er daran scheiterte, dass er nicht wusste, was er schreiben sollte. In dem zweiten Abschiedsbrief spricht er davon, dass die Politik ihn tief enttäuscht hat, dass jeder in der Politik nur nach dem eigenen Überleben schielt. Das klingt so, als hätte er ziemlich Schlimmes erlebt. Wissen Sie etwas darüber?«
    »Ja, eine ganze Menge. Toni Burscheid wurde erpresst.«
    Eine Weile herrschte Schweigen.
    »Können Sie das noch einmal wiederholen?«
    »Er wurde erpresst.«
    »Mit was?«
    »Mit seiner pädophilen Neigung.«
    »Wie kann man damit erpresst werden, wenn man sie nicht lebt?«
    »Es gibt ein kleines Mädchen, etwa zehn Jahre alt, das behauptet hat, Toni Burscheid habe sie unsittlich berührt.«
    »Hat er?«
    »Nein, niemals. Er hat auf dem Stuhl gesessen, auf dem Sie jetzt sitzen. Und er heulte Rotz und Wasser. Das ist jetzt etwas mehr als ein Jahr her. Das Mädchen hat angeblich gesagt, Toni habe ihr zwischen den Beinen herumgefummelt. Damals schon hat er gemeint, ich bringe mich um, wenn sie mich kreuzigen wollen.«
    »Was steckte denn dahinter?«
    »Ein Riesenhügel Vulkanschlacken, Aschen und so. Genug für die nächsten hundert Jahre. Bargeld im großen Fluss.«
    Ich war sehr verwirrt. Ich war ausgezogen, den Mord an einem Mädchen zu recherchieren, und betrat anscheinend nun den trüben Teich der Regionalpolitik. Ich wusste nicht, ob ich das hören wollte.
    »Kann man das beweisen?«
    »Ich glaube nicht. Es sei denn, man bringt jemanden dazu, die Erpressung zuzugeben. Und da habe ich keine Hoffnung.«
    »Könnten Sie mir das erklären?«
    »Ja. Aber nur wenn Sie mich als Quelle nicht erwähnen. Ich möchte nämlich hier wohnen bleiben.«
    »Zugesichert.«
    Er besann sich kurz, stützte das Kinn in die rechte Hand, stand dann auf, ging zum Küchenschrank, holte eine Flasche Klaren heraus und fragte: »Sie auch einen?«
    »Nein, danke.«
    Er goss sich ein und trank den Schnaps mit einem Schluck. »Mich regt dieses Thema auf.« Er goss sich den zweiten ein, trank auch den, sah mich an und konzentrierte sich offensichtlich.
    »Vor zweieinhalb Jahren ließ sich Toni zum Ortsbürgermeister aufstellen und wurde glatt und ohne Schwierigkeiten gewählt. Er hatte keinen Gegenkandidaten, was in kleinen Orten ganz normal ist. Er beackerte sofort zwei Felder, die er für dringlich hielt: Erstens kümmerte er sich intensiv um alte Menschen. Zweitens nahm er sich der Jugend an. Für die Alten organisierte er Kaffeefahrten, besuchte sie zu Hause, finanzierte einen Teil seiner Bemühungen sogar mit seinem privaten Geld. Er wusste, dass Menschen in Landstrichen wie der Eifel noch schneller als anderswo drohen zu vereinsamen, wenn sie ihre Mobilität verlieren. Und um die Jugendlichen war es böse bestellt. Toni besorgte ihnen als Erstes einen Raum im alten Bahnhof. Darüber hinaus stellte er zwei Privatwagen zur Verfügung und organisierte einen Taxidienst für die, die sonst keine Möglichkeit hatten, eine Disco zu erreichen. Die Jugendlichen bezahlten einen Euro hin und zurück. Das brachte ihm Feinde ein, weil einige Alte sagten, sie hätten auch keinen Jugendraum gehabt und niemand hätte sie zum Kirmestanz irgendwohin gefahren. Toni veranstaltete auch Grillfeste für die Jugendlichen. Und zwar auf einer großen Wiese vor seinem Haus. Toni war als Ortsbürgermeister ein voller Erfolg, denn Meckerer gibt es schließlich immer. Doch als er eine Fußballjugendmannschaft gründete, zog Unheil auf. Es gab Gerede und es schaukelte sich hoch. Bald war klar, wer dahinter steckte.«
    Er machte eine Pause und rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
    Die Küchentür ging auf, das Mädchen stand da und nörgelte: »Ich muss aber nach Köln.«
    Mauren entgegnete ganz sanft: »Ich weiß, dass du weg von hier willst, weil du den Tod von Onkel Toni nicht aushältst. Aber ich werde dich nicht fahren.«
    Sie erstarrte und sagte mit breitem Mund: »Das tut so weh.«
    »Ja, meine Kleine. So etwas tut immer weh, aber wir müssen lernen, damit zu leben.«
    »Was soll ich denn tun?«
    »Denk an ihn, weine um ihn. Tu irgendetwas, aber lauf nicht weg.«
    Sie zögerte noch einen Moment, dann schloss sie die Tür wieder.
    »Sie ist eine Mimose«, murmelte er.
    »Was steckte hinter dem Gerede?«, nahm ich den Faden wieder

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