Eifel-Träume
sollen?
Das Haus wirkte klein und abweisend, im Vorgarten standen büschelweise blühende Blumen, eine Rehmutter mit Kitz fristete ein gipsernes Leben. Neben einem Teich, der nicht größer war als zwei Eimer Wasser, hockte ein Gipsfrosch auf einem Stein und spie einen dünnen Wasserstrahl. Wie hatte der Hausherr gesagt? Er habe die Idylle hassen gelernt.
Ich schellte. Jemand öffnete die Tür. Es war die Mutter, sie erkannte mich und sagte gleich: »Sie wollen sicher zu meinem Mann. Ich hole ihn.«
»Nicht unbedingt«, erwiderte ich schnell. »Ich wollte auch mit Ihnen reden.«
»Aber ich kann Ihnen doch gar nichts sagen. Sie ist einfach nicht nach Hause gekommen. Na ja, dann kommen Sie rein.« Ihre Stimme klang wie beharrliches Weinen.
Annegrets Mutter war eine blässliche Frau, die beide Schultern extrem hängen ließ, als habe sie jede Lust zu leben verloren. Sie trug zu ihrem glatten, nach hinten in einem Knoten endenden Haar ein schwarzes T-Shirt und schwarze Hosen.
»Rainer, hier ist der Herr, na, der Herr, den du schon kennst.«
»Ich heiße Baumeister«, sagte ich schnell. »Grüß dich, Rainer.«
Er saß an einem Esstisch und bewegte zwischen den Fingern der rechten Hand einen Kugelschreiber. In einem Aschenbecher qualmte eine Zigarette.
»Schön, dass du vorbeikommst«, sagte er und lächelte gequält. »Setz dich.«
»Ich will nicht lange stören«, murmelte ich.
Die Frau setzte sich rechts von ihrem Mann an den Tisch.
»Ich habe nur eine Frage, die den Donnerstag betrifft. Frau Darscheid, wie war das am Donnerstagmittag, als Sie auf Annegret warteten und sie nicht kam?«
Sie sah mich nicht an, sondern starrte auf die weiße Tischdecke. »Wie soll das gewesen sein? Wie immer.« Sie saß mit dem Rücken zu einem Fenster und ich erinnerte mich, dass Darscheid erzählt hatte, dass Annegret ihre Mutter gefragt habe, wieso sie babyblaue Schleifchen in die Gardinen geschlungen habe. Tatsächlich gab es Schleifchen, sie waren schwarz.
»Ich meine, was herrschte für eine Stimmung?«
Rainer Darscheids Kopf fuhr plötzlich hoch und seine Augen wurden schmal. »Wieso Stimmung? Worauf willst du hinaus?«
»Ich kann das nur schwer erklären«, sagte ich. »War die Stimmung irgendwie bedrückt? Hatte Annegret etwas angestellt, weswegen sie mit Kritik rechnen musste?«
»Nein, bestimmt nicht«, antwortete die Mutter schnell.
»Hör mal, Siggi, da steckt doch irgendeine Idee hinter deiner Fragerei, oder?«
»Ja, dahinter steckt eine Idee«, nickte ich. »Ein Mädchen geht irgendwann zwischen 12.30 Uhr und 12.45 Uhr diese Straße Am Blindert entlang. Rechts und links stehen, sagen wir, vierzig Häuser. Und niemand, wirklich niemand, hat das Kind vorbeilaufen sehen. Vierhundert Meter lang bei strahlendem Wetter. Wahrscheinlich ist doch, dass erstens Leute in den Gärten waren und zweitens die meisten Küchen zur Straße raus liegen. Und da müssen Leute Essen vorbereitet oder schon gesessen und gegessen haben. Die Polizei hat alle Anwohner befragt. Eigentlich kann das nicht sein.«
Darscheid blickte seine Frau an, und das war kein freundlicher Blick. Die Frau duckte sich, als sei sie angegriffen worden.
Ich fuhr schnell und beschwichtigend fort: »Um Gottes willen, ich will mich nicht einmischen. Aber ich bin ein Journalist, für mich sind derartige Fragen normal. Ich weiß, ihr würdet lieber nicht darüber reden, weil das alles quälend ist. Aber dass Annegret nicht gesehen wurde, ist schon bemerkenswert.«
Jetzt hielt Darscheid den Kopf gesenkt. Er sagte gepresst:
»Wir haben gerade vorhin darüber gesprochen. Kurz bevor du gekommen bist. Ich hatte dir schon von den beiden anderen Müttern erzählt, die gelogen haben. Und meine Frau, die hat leider auch gelogen. Sie war nämlich gar nicht hier, als Annegret nach Hause kommen sollte.«
VIERTES KAPITEL
»Wo waren Sie denn?«, fragte ich.
»Bei meiner Freundin, bei Else. Die wohnt auf unserer Straßenseite vier Häuser weiter stadteinwärts. Das war öfter so. Man weiß ja nicht immer genau, wann die Kinder nach Hause kommen. Manchmal haben sie auch schon eine Stunde eher frei. Jedenfalls saß ich bei Else am Küchentisch und wartete dort auf Annegret, um dann mit ihr hierher zu gehen. Aber sie kam nicht.«
»Ist es möglich, dass Annegret vorbeilief, als Sie und Ihre Freundin abgelenkt waren?«
»Nein, bestimmt nicht.«
»Frau Darscheid, Sie haben doch sicher darüber nachgedacht, was auf dem Nachhauseweg passiert sein könnte. An dem Punkt,
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