Eifel-Träume
tot ist. Und dass sie nicht zurückkommt. Und alles, was ihr hier redet, hat damit nichts zu tun.«
Meine Pfeife war ausgegangen. Ich zündete sie wieder an.
»Elisabeth, die Mütter lügen«, sagte ich gemütlich. »Die eine vögelt im Wald mit ihrem Liebhaber herum und behauptet steif und fest, ihr Sohn sei pünktlich zu Hause gewesen. Die andere schwört Stein und Bein, auch ihr Sohn sei pünktlich von der Schule heimgekommen. Dabei lag der mit seiner Russenliebe irgendwo im Gras. Du hast verschwiegen, dass du bei deiner Freundin warst. Und jetzt sagt Mauren, wenn etwas mit Toni und Kindern gelaufen wäre, dann hätte er das gemerkt. Mauren hat übrigens eine Tochter, die Toni Burscheid sehr gemocht hat und ausgeflippt ist, als sie hörte, dass er sich erhenkt hat. Es sieht wirklich so aus, als sollte Burscheid fertig gemacht werden. Erst haben ihm Unbekannte seine Bienenstöcke zerstört. Schmitz wollte den Berg, um Vulkanasche abzubauen. Und als er ihn nicht kriegte, ist komischerweise seinem Maschinenmeister Retterath die Sache mit der kleinen Tochter eingefallen. Und wahrscheinlich wurde dieser Maschinenmeister dafür bezahlt. Wie auch immer: Die traurige Geschichte deiner Tochter hat eine Menge mit den Lügen einiger Menschen zu tun. Nur wenn wir damit aufräumen, werden wir vielleicht erfahren, was wirklich geschehen ist. Also räumen wir auf.« Ich kam mir wegen des vielen Geredes etwas dämlich vor, aber schließlich hatte ich so etwas wie ein Ziel. Oder besser gesagt: eine Ahnung von einem Ziel.
»Ich höre heraus, dass an der Geschichte mit Tonis komischer Veranlagung nichts ist«, sagte Rainer mutlos.
»Wieso nichts ist?«, fragte Elisabeth giftig. »Glaubst du, die Kleine vom Retterath lügt?«
»Die Kleine vom Retterath war ganze neun Jahre alt und beeinflussbar«, erwiderte Rainer. »Hör auf mit diesen Märchen. Was machen wir jetzt?«
»Oh«, sagte ich, »ganz einfach. Wir fangen von vorne an. Elisabeth, schildere doch bitte, wie das am Donnerstagmittag war, als Annegret nicht nach Hause kam.«
»Das habe ich schon hundert Mal erzählt! Ich war bei meiner Freundin. Wir saßen in der Küche und Annegret hätte vorbeikommen müssen. Sie kam aber nicht vorbei. Dann bin ich nach Hause gegangen. Da war sie auch nicht. Und dann fing … dann fing das Schreckliche an.«
»Du hast nicht bemerkt, dass sie zu Hause gewesen ist?«, fragte ich.
»Nein, habe ich nicht. Erst habe ich gedacht, sie ist mit zu Anke. Oder zu Kevin oder Bernard. Ist ja schon mal vorgekommen. Aber dann hat sie wenigstens angerufen und Bescheid gesagt. Na ja, erst habe ich mir keine Sorgen gemacht. Konnte ja alles Mögliche dazwischengekommen sein. Vielleicht waren sie auch irgendwo ein Eis essen. War ja warm und Zeit für Eis.«
Ich kratzte die Pfeife aus, nahm eine Spitfire von Lorenzo und stopfte nun diese. Wichtig war das Wechseln der Bilder, das ständige Springen von einem Bild in das andere, hatte es in dem Buch auch geheißen.
»Wie erklärst du das eigentlich, dass du eine Erektion bei Toni Burscheid gesehen hast und dein Mann neben dir nicht? Hat das damit zu tun, dass dir irgendwer gesagt hat, dein Onkel Toni sei ein Pädophiler? Wenn es so ist, wer hat dir das gesagt?«
»Das ging doch schon seit Jahren so und hundert Leute können sich nicht irren! Toni hatte es immer mit kleinen Jungs und kleinen Mädchen. Das weiß wirklich jeder.«
»Ja, ja, und genau an der Stelle sagt Gustav Mauren, dass sich da eine Hysterie hochgeschaukelt hat. Tatsache ist doch, dass es für keinen Fall einen Beweis gibt, oder nicht?«
»Dieser Mauren sollte besser das Maul halten«, meinte sie grob. »Von dem ist auch bekannt, dass er auf kleine Kinder steht. Jedenfalls knutscht er sie dauernd. Das ist gesehen worden, jawohl! Sonst wäre er ja wohl auch kaum mit Toni befreundet gewesen.«
Rainer Darscheid starrte seine Frau fassungslos an. Er wollte etwas sagen, etwas brüllen.
Schnell fragte ich: »Du sagst, das ist gesehen worden. Wer hat das gesehen? Nenne mir einen einzigen Menschen, der das gesehen hat.«
»Scheiße«, flüsterte Rainer Darscheid. Dann sagte er laut:
»Nenn ihm einen einzigen Zeugen. Mehr will er nicht. Eine Frau, einen Mann. Einen!«
»Das tue ich nicht. Ich kann doch andere Leute nicht reinreiten.« Das klang jammernd. Elisabeth hatte ein blasses, durchscheinendes Gesicht. Sie hauchte: »Ich habe meine Tochter verloren.«
»Das ist wahr, das ist schrecklich«, nickte ich. »Trotzdem wäre es doch nicht
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