Eifel-Träume
tun hatte. Doch dem Psychologen ging es um etwas anderes, er wollte in Erfahrung bringen, ob die Frau ihre eigene Kindheit als schrecklich und deprimierend bezeichnete. Der klassische Fall, in dem Psychologen stören. Es kam zu einer verständlichen Brüllerei seitens der Kriminalbeamten, die genau wussten, wie wichtig eine erste sachliche Vernehmung ist. Hinzu kam, dass die Frau nach wie vor eiskalt wirkte, Gefühle waren nicht feststellbar.
Was dann im Laufe der Zeit ans Licht kam, war ein Albtraum. Das Kind war einfach freundlich plappernd im Haus erschienen – nicht zum ersten Mal. Mutter und Sohn, die in elenden, asozialen Verhältnissen lebten und ständig unter Geldnot litten, kamen überein, die Eltern der Kleinen um Lösegeld erpressen zu wollen. Kontaktaufnahmen per Telefon erbrachten wegen der Hinhaltetaktik jedoch nichts. Die Kleine nörgelte und weinte, sie wollte nach Hause.
Tage später ging das Kind sowohl der Mutter wie dem Sohn heftig auf die Nerven. Also erwürgten sie das Kind. Es war eine gemeinschaftlich begangene Tat. Anschließend rollten sie es in einen Teppich ein und ließen die Teppichrolle auf dem Fußboden im Schlafzimmer liegen. Die Forderungen nach Lösegeld stellten sie nicht ein.
Eigentlich eine Nebensache: Das Haus kannte einen denkwürdigen Besucher. Ziemlich häufig tauchte in der Mittagszeit der Direktor einer örtlichen Bank auf, um mit der Frau zu schlafen. Liebe am Mittag. Die Frau putzte jeden Tag in dem Geldinstitut und der Direktor hatte beschlossen, diese Verbindung zu nutzen. Die Kopulation fand natürlich im Schlafzimmer statt, zwei Meter weiter lag das tote Kind in der Teppichrolle.
Die Frau wie ihr Sohn wurden verurteilt, die Frau starb einen elenden Krebstod im Gefängnis. Die Familie der Kleinen zog fort.
Für mich ist an dieser traurigen Geschichte dieser Bankdirektor wichtig. Er ist ein Opfer der Umstände, mit dem Mord hatte er nichts zu tun. Doch ein Mord spült wohl immer eine Menge an Dingen und Ereignissen hoch, die als große Geheimnisse gehütet werden. Während die ehrbare Frau und die ehrbare Familie glaubten, dass Papi sich wegen Arbeitsüberlastung nur ein Häppchen im Büro gönnte, vögelte dieser Mensch mit seiner Putzfrau. Und die hatte, rein zufällig, ein kleines Mädchen erwürgt.
Ich starrte in den Garten. Am Teichrand unter dem Holunder blühten Waldweidenröschen. Sie wiegten ihre sanftroten Blütenkerzen im Wind.
Wer hatte Annegret getötet? Und warum?
Mein Telefon rührte sich.
Es war Clarissa.
»Hör mal, Väterchen, wie sieht es aus? Kommst du endlich her zu Emma? Oder sollen wir zu dir kommen?«
»Nicht böse sein. Aber ich erwarte Leute, die etwas mit dem Mord an dem Kind zu tun haben. Ich melde mich, wenn sie wieder weg sind.«
»Emma lässt dir ausrichten, dass Tante Anni morgen nach Hause entlassen wird.«
»Das ist schön. Sag Emma einen Gruß.«
Ich zog den Korken aus einer Weißweinflasche, stellte den Rotspon daneben, baute Gläser auf, für mich ein Wasser und einen Traubensaft. Wir konnten auf der Terrasse sitzen, es war warm und trocken genug.
Als sie eintrafen und ich ihnen zurief, sie könnten den Garteneingang benutzen, traten sie seltsam zögerlich auf die Terrasse, als tauchten sie in eine fremde, ungewohnte Landschaft ein.
»Hallo«, sagte ich. »Nehmt Platz, wir haben schönes Wetter. Junge Frau, wir haben uns zwar schon gesehen, aber noch nicht richtig vorgestellt. Ich bin der Siggi und ich beiße nicht.«
»Ich heiße Elisabeth«, sagte Annegrets Mutter dünn und setzte sich ganz vorn auf die Kante eines Stuhls.
Ich goss den beiden Wein ein und bemerkte leutselig:
»Mir sind ein paar grundsätzliche Dinge noch nicht klar.«
»Ist irgendwas Neues passiert?«, wollte Rainer wissen.
»Kann man sagen.« Ich nahm mir ein Glas Traubensaft.
»Ich hatte vorhin ein langes Gespräch mit einem guten Freund von Toni Burscheid. Der Mann heißt Gustav Mauren und wohnt mit Frau und Tochter in Wiesbaum. Ihr kennt die.«
»Ach, der!«, sagte Elisabeth verächtlich.
Ihr Mann sah sie irritiert an, ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen.
»Mauren wusste, was Toni nachgesagt wurde. Und Mauren behauptet, dass Toni sich niemals einem Kind oder Jugendlichen sexuell genähert hat. Einen Missbrauch hält er für vollkommen ausgeschlossen.«
»Was soll der auch anderes sagen!« Elisabeth wurde heftig.
»Nun lass den Siggi doch ausreden«, meinte Rainer ungehalten.
»Ist doch wahr«, murmelte sie.
»Ich möchte auf
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