Eifel-Träume
nicht die Kraft zu lügen.
»Frau Schmitz war nicht zu Hause.«
»Nein. War weg. Weiß nicht, wo.«
»Was machte Kevin?«
»Ging in Wohnzimmer. Hat Fernsehen geguckt. Nicht lange, nur kurz. Dann ist gegangen.«
»Hat er nicht gegessen?«
»Nein. Hat sich nur Eis geholt aus Eisschrank, dann fernsehen.«
»Und dann ist er gegangen?«
»Dann ist er gegangen. Mit Fahrrad. Ich Arbeit fertig machen und dann nach Hause.«
»Um wie viel Uhr sind Sie nach Hause?«, fragte ich.
»Drei, halb vier. Weiß nicht genau.«
»Als Sie das Haus verlassen haben, ist Kevin da schon wieder zurück gewesen?«
»Nein. Hat gesagt, Fußball spielen.«
»Ach ja«, murmelte ich. Dann strahlte ich sie an und sagte: »Danke schön!« Wie hatte der kleine scheue Kevin das formuliert? Dann hat Mama uns harte Eier in Senfsauce gemacht. Die esse ich so gern. In einem guten sauberen Elternhaus geht nichts über gute, saubere Absprachen.
Ich stand auf. »Das war es auch schon.«
»Keine Schwierigkeiten?«, fragte der Mann verlegen. Er wirkte schrecklich hilflos.
»Keine Schwierigkeiten«, versicherte ich.
Als ich durch die Wohnungstür hinaustrat, hatte ich das bedrückende Gefühl, sie überrannt zu haben. Aber Kischkewitz würde sanft mit ihnen umgehen, wenngleich der Arbeitsplatz bei Herbert Schmitz für Olga auf immer und ewig verloren sein würde. Bis zur nächsten Russlanddeutschen, die für die Schäbigkeit von drei Euro die Stunde die Fliesen wienern würde.
Ehe ich den Wagen startete, rief ich Kischkewitz an. Er reagierte dieses Mal gelassener.
»Was haben die Schmitzens denn über ihre Haushaltsgröße erzählt?«, fragte ich.
»Was meinst du?«, sagte er. »Das ist ein ganz normaler Drei-Personen-Haushalt …«
»Es sind vier Personen. Die vierte ist eine Russlanddeutsche namens Olga. Sie war am Tattag bei Schmitz zum Putzen und sie sagt, Kevin ist mit dem Fahrrad weggefahren.«
»Wo bist du jetzt?«, fragte er.
»Noch in Hildenstein.«
»Dann komm zu mir. Ins Rathaus.«
»Ist gut.«
In dem Zimmer, in dem die Soko residierte, saßen um einen Tisch vier Männer, die mich neugierig und kritisch musterten, als ich hereinkam.
»Bei Schmitz verhält es sich wohl einwandfrei so, dass sie versucht haben, die Putzhilfe unter den Teppich zu kehren«, sagte ich. »Und die sagt, Kevin ist nach Hause gekommen, hat ein Eis geschleckt, ferngesehen und ist dann mit dem Fahrrad weggefahren. Es stimmt also nicht, dass er brav auf Mami wartete.«
Der junge Mann, der bei Mauren die Tochter betreut hatte, murmelte betreten: »Wie kann so etwas passieren? Wie konnte uns die Putzfrau durch die Lappen gehen?«
Kischkewitz meinte schnell und hart: »Wir haben jetzt keine Zeit, die Fehler der vergangenen Tage zu analysieren.«
Er sah mich an. »Hast du Lust auf einen Spaziergang?«
»Ja, natürlich, warum nicht.«
»Dann mache ich hier Schluss. Bis nachher. Ich muss mal Bäume sehen.« Er stand auf und stürmte aus dem Raum, als sei er von Ekel und Wut erfüllt.
Wir stiegen in seinen Dienstwagen und er sagte kein Wort, sondern fuhr ein wenig verbissen aus Hildenstein hinaus in südliche Richtung. An einem breiten Waldweg stellte er den Wagen ab und atmete tief durch.
»Lass uns ein paar Schritte gehen.«
Ich schwieg, ich ging einfach neben ihm her.
»Der Fall ist schon in den ersten Tagen, als Annegret noch gar nicht gefunden worden war, versaut worden. Wir waren zu schnell. Das heißt, mein Stellvertreter war zu schnell. Er hat an einer Oberfläche gekratzt und ist dann zur nächsten Oberfläche übergegangen. Eine Putzfrau habe ich geahnt, aber, ehrlich gestanden, war ich mir unsicher, wie man an sie herankommen konnte. Dieser Adolf Klemm ist ein Seiteneinsteiger. Er wollte nie wirklich Kriminalist sein, er wollte immer nur Erfolg haben, um die nächste Stufe auf der Karriereleiter erklimmen zu können. Die Entscheidung, die Leiche nicht am Fundort liegen zu lassen, war nicht der erste Bockmist, den er in diesem Fall gebaut hat. Inzwischen hat ihn sein Vertrauter aus dem Innenministerium zurückgepfiffen. Wahrscheinlich wird er irgendwo eine Warteschleife ziehen und dann den nächsten Chef zur Verzweiflung treiben. Jetzt kann ich jede Spur nacharbeiten, verstehst du?! Mich macht das ganz verrückt, weil wir sowieso unter einem unheimlichen Druck stehen. Wir müssen einen Täter präsentieren, sonst schlägt uns die Öffentlichkeit tot, sonst kriegen wir noch mehr Druck vom Innenministerium und sämtliche Konservativen sagen,
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