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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Tagen sprießen die Gerüchte. Wie ja auch hier in Hildenstein tauchten Wahrsager auf, die behaupteten, sie hätten Tanja gesehen, wie sie aus einem Auto herausgeholt wurde, um in Amsterdam in einem Kinderbordell angeboten zu werden. Dann hieß es, Tanja sei von einem international arbeitenden Gangsterring entführt worden, der pornografische Fotos von Kindern herstellte und anböte. Zeitungen und Yellowpress-Blättchen druckten diese Geschichten, dabei wurden die so genannten Wahrsager wahrscheinlich auch noch von ihnen bezahlt.
    Tanja war uns als ein Kind geschildert worden, das niemals mit einem Fremden mitgehen würde. Völlig unvorstellbar, sagten alle, mit denen wir sprachen. Andererseits denken wir Kripoleute bei Verbrechen dieser Art sowieso immer zuerst an eine Beziehungstat. Also an den Vater, den Onkel, an sonst wen Vertrauten. Wir kamen aber nicht weiter mit diesem Ansatz.
    Es kam Kritik, und zwar heftig. Uns wurde vorgeworfen, wir hätten Tanja sofort, schon bei der ersten Suche, im Gartenhaus finden müssen. Denn der Garten befand sich ja nicht weit entfernt vom Marktplatz. Wir verteidigten uns, wir wiesen auf Hubschrauberflüge hin. Und wir legten sogar offen, dass wir die Eigner der Gartenhäuschen aufgefordert hatten zu überprüfen, ob jemand in eines der Häuschen eingebrochen sei. Das ist übrigens der einzige Kritikpunkt, dem ich zustimme: Wir hätten die Kleine entschieden eher finden können, ja, finden müssen.
    Wie auch immer: Die Obduktion der Kleinen ergab, dass im Mageninhalt Schokolade eine Hauptrolle spielte. Sie hatte am Tag ihres Todes aber keine Schokolade von der Mutter erhalten. Und wieder versicherten alle, dass Tanja niemals Schokolade von einem Fremden angenommen hätte. Das war so schrecklich trivial, weißt du. Sie hatte Schokolade angeboten bekommen und die Schokolade auch gegessen. Und doch taten die Leute so, als sei das unmöglich.
    Manches nahm geradezu bizarre Züge an. Wir hatten bekannt gegeben, dass das Mädchen nicht sexuell missbraucht worden war. Aber die Stimmung in der Bevölkerung nährte sich noch wochenlang von dem Märchen, Tanja sei sexuell missbraucht worden, bevor der Täter sie erdrosselt hatte. Nach dem Motto: Die Polizei sagt uns sowieso nicht die Wahrheit, diskutierten Stammtische das Märchen vom brutalen sexuellen Überfall.
    Zwei Tage nach dem Auffinden der Leiche nahm der Leiter der Soko einen verdächtigen Mann, einen Hilfskoch, fest, der in Cochem arbeitete. Der Richter erließ Haftbefehl, der Mann wanderte in Untersuchungshaft. Das hatte Folgen, von denen die Öffentlichkeit nie etwas erfahren hat.
    Der Stellvertreter des Sokoleiters erklärte nämlich: Der Chef hat den falschen Mann verhaftet. Und dieser Stellvertreter stieg unter Protest aus der laufenden Soko aus. Das dürfte in Deutschland eine Premiere gewesen sein. Selbstverständlich kann es scharfe gegenteilige Meinungen in einer Mordkommission geben. Im schlimmsten Fall zieht sich auch schon mal jemand still von den Ermittlungen zurück. Doch ein mit solcher Vehemenz vorgetragener Vorwurf eines Fehlschlusses, das war neu.
    Nun muss man fairerweise erwähnen, dass der Leiter der Soko ein durchaus erfahrener Mann war, der sich bis dato selten geirrt hatte. Und: Er war ein Spezialist für schwierige Verhöre. So ein Kumpeltyp, der immer den lieben Bullen spielt. Man muss auch hinzufügen, dass der Mann unter gewaltigem öffentlichem Druck stand. Irgendwann ist der Druck so gewaltig, dass man nach jedem Strohhalm greift. Ich weiß, wovon ich rede, denn zurzeit stehe ich unter dem gleichen Druck. Ich muss auf Teufel komm raus beweisen, dass wir gute Kripoleute sind, die ihr Geschäft verstehen. Also brauche ich ganz schnell einen Täter.
    In Cochem hatte der Stellvertreter Recht gehabt. Sie hatten den falschen Mann in den Knast gebracht. Sie mussten ihn laufen lassen und standen anschließend vor dem Nichts.
    Sehr viel später tauchte plötzlich der Täter auf. Ein Mann um die Mitte vierzig. Er wurde in der Nähe von Ulm festgenommen, nachdem er sich einem fünfjährigen Jungen genähert und ihn gewürgt hatte. Er war der festen Überzeugung gewesen, dass der Junge schon tot war. Aber der Junge war nicht tot, sondern konnte den Beamten Hinweise auf den Täter geben. Nun saß dieser Mann im Verhör und sagte plötzlich, dass das damals in Cochem aber ganz anders verlaufen sei. Die Vernehmenden spitzen die Ohren, rufen hier an und kriegen zur Antwort: Festhalten! Den suchen wir!
    Was war

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