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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Der hockte mit einem Russenmädchen irgendwo im Gras. Aber warum der?«
    »Na ja, der war hinter Annegret her.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Hat sie mir selbst erzählt. Draußen auf der Straße. Vor zwei, drei Monaten.«
    »Aber der scheidet aus. Was ist mit Bernard?«
    Sein Mund wurde breiter. »Nee, der nicht. Das ist noch ein richtiges Jüngelchen. Der weiß wahrscheinlich noch nicht mal, dass sein Schniedelwutz stehen kann.«
    »Und Kevin Schmitz?«
    »Auch nein, würde ich sagen. Der Junge ist viel zu scheu.«
    »Was ist mit Anke?«
    »Wäre möglich. Aber dass die der Annegret einen Stein auf den Schädel schlägt? Das gibt es doch nicht!«
    »Wollen Sie selbst zu den Kriminalbeamten gehen oder soll ich das für Sie erledigen?«
    Er überlegte kurz und entschied: »Das kann ich selber machen. Ich habe ja sowieso nichts zu tun. Ist mal was anderes.«
    Ich gab ihm die Nummer von Kischkewitz, er versprach, sofort anzurufen. Ich verabschiedete mich.
    Den Wagen ließ ich stehen und ging nach links zum Wendehammer, zu den Wiesen und Feldern rund um Amor-Busch. Ich lief den Weg, den auch Pitter Göden nehmen musste, wenn er in die Felder wollte. Er führte mich an einem Wiesenzaun entlang die sanfte Steigung hoch, dann über ein Stoppelfeld auf die nächste Wiese, bis ich den Busch erreichte.
    Es ist unglaublich, wie schweigsam die Natur ist. Nichts verriet Annegret. Wahrscheinlich hatte die Polizei gründlich aufgeräumt: keine Reste mehr von menschlicher Anwesenheit. Nur im Grenzbereich zur Wiese auf einem alten Baumstumpf, der fast ganz verfault war und eine weiße Pilzschicht zeigte, hatte ein Scherzbold zwei Kondome ausgebreitet. Wohl um anzuzeigen, dass das Leben erheblichen Spaß machen kann.
    Ich hockte mich an den Rand des Busches und starrte mal wieder hinunter auf Annegrets Elternhaus, das jetzt in einer gleißenden Sonne lag.
    Wovon hatte Annegret wohl geträumt? So zu sein wie Britney Spears? Oder vielleicht Norah Jones? Norah Jones wahrscheinlich eher nicht. Kleine Mädchen können in der Regel mit Jazz nichts anfangen, Jazz scheint eine Währung zu sein, die langsam ihren Wert verliert.
    Mir wurde mit aller Schärfe bewusst, dass ich von Annegrets Welt keine Ahnung hatte. Wahrscheinlich war ich ohne Hilfe nicht einmal fähig, einen ihrer ganz normalen Alltage zu rekonstruieren. Hatte sie hier gesessen, wo ich jetzt saß? Was hatte sie von ihrem Vater gedacht? Was von ihrer Mutter?
    Welchem Erwachsenen hatte sie vertraut? Hatte sie überhaupt irgendeinem Erwachsenen vertraut? Vielleicht Toni Burscheid, aber der spielte im Chaos der Überlebenden nicht mehr mit, der hatte Sünden gebüßt, die er niemals begangen hatte.
    Ich stand auf und lief in den Busch hinein, dorthin, wo für Benecke die Zeltbahnen gezogen worden waren. Der kleine Geländebruch war deutlich. Er war nicht sehr lang und breit. Ich stapfte über die Stelle, wo Annegret erschlagen worden war, und plötzlich schien es mir unvorstellbar, dass irgendein durchreisender Serienkiller ihr hier aufgelauert hatte. Pitter Göden hatte wohl Recht, für Fremde war das ein Platz, der schlicht nicht zu entdecken war. Aber was hatte sich hier zugetragen?
    Ich verließ den Schatten der Bäume und guckte hoch zum Stadtwald, der in ungefähr dreihundert Metern Entfernung begann. Wer von dort oben kam, hatte Pitter gesagt, war für die Leute unten in Hildenstein unsichtbar. Dann war doch ein Fremder denkbar, der dort oben zum Beispiel spazieren ging, Annegret entdeckte und zu ihr hinlief. Aber: Pitter Göden hatte auch gesagt, die Kinder seien nie allein im Busch gewesen, allein im Busch mache es doch keinen Spaß.
    Ich rief Rainer Darscheid an und bekam seine Frau an den Apparat. Ich fragte nach ihm und sie antwortete, sie würde ihm ausrichten, dass er mich zurückrufen solle. Er sei nur eben etwas einkaufen. Sie wirkte sehr distanziert, wahrscheinlich verfluchte sie mich längst wegen meiner Neugier.
    Ich setzte mich wieder ins Gras.
    Es war nicht viel Zeit vergangen, als Rainer Darscheid mich zurückrief.
    »Ich bin oberhalb deines Hauses am Busch. Hast du Zeit?«
    »Ja, ich komme.«
    Ich beobachtete, wie er aus dem Haus trat und zügig über die Felder und Wiesen schritt, wie jemand, der etwas zu erledigen hat.
    »Was treibst du hier?«, fragte er und ließ sich neben mir nieder.
    »Ich war beim alten Pitter Göden … Rainer, du hast gesagt, dass deine Annegret ein ganz normaler junger Mensch war, der gern lachte. Nun hocke ich hier und weiß

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