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Eifelbaron

Eifelbaron

Titel: Eifelbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Jagusch
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anderes gefunden«, deutete Welscher ihre Mimik.
    Sie spreizte die Finger beider Hände und legte die Fingerkuppen aufeinander. Diese Körperhaltung erinnerte Welscher an eine Gottesanbeterin.
    »Der Mann dort auf dem Tisch hätte nicht mehr lange gelebt, bestenfalls Wochen. Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Da muss ich keine Gewebeprobe untersuchen, um das zu erkennen. Metastasen in Leber und Darm.«
    Welscher rieb sich das Ohr und grübelte. Ihm fielen die Medikamente wieder ein, die er in Barons Schrank gesehen hatte, als er die Zahnbürste für den DNA-Abgleich mitgenommen hatte.
    »Sagt Ihnen ein Medikament mit dem Namen ›Dolantin‹ etwas?«
    »Selbstverständlich. Wird bei starken Schmerzen eingesetzt.«
    »Bei Krebspatienten?«
    »Sicher.«
    Welscher nickte. Das war jetzt nicht schwer zu erahnen gewesen.
    »Jemandem mit so einer aggressiven Krebserkrankung sieht man den körperlichen Verfall doch sicher an, oder? Verheimlichen kann man so etwas bestimmt nicht.«
    Sie deutete auf den Leichnam. »Mir ist noch keiner untergekommen, der das bis zum Schluss verheimlichen konnte. Er ist ausgezehrt bis auf die Knochen. Da war ganz sicher nichts mit heile Welt vorgaukeln.«
    Das ist ja interessant, dachte Welscher. Susanne Baron schied damit als Täterin so gut wie aus. Warum sollten sie oder ihr Liebhaber, wenn es denn einen gab, Bruce Baron ermorden, wenn er sowieso nur noch wenige Wochen, vielleicht sogar nur Tage, zu leben hatte?
    »Sie fassen das alles noch schriftlich zusammen?«, fragte er.
    Dr. Neumann nickte.
    »Wann?«
    »So schnell, wie ich kann«, gab sie sich unbestimmt und schmunzelte.
    Welscher drängte sie nicht, denn das Wichtigste wusste er bereits. Das reichte für die nächsten Schritte.
    * * *
     
    Fischbach drehte das Tütchen mit der Visitenkarte, die sie bei Baron gefunden hatten, in seiner Hand hin und her. Er wählte die Nummer, die handschriftlich auf der Rückseite stand.
    »Klinikum Aachen. Vorzimmer Professor Dr. Hohenknecht. Sie sprechen mit Janine Zweitfeld«, meldete sich eine freundliche und aufgeweckte Stimme.
    »Fischbach, Kripo Euskirchen, guten Morgen.«
    »Kriminalpolizei?« Sie räusperte sich. »Ist etwas passiert?«
    »Kennen Sie einen Herrn Bruce Baron?«, überging Fischbach die Frage.
    »Wenn ja«, antwortete die Frau, »dann dürfte ich es Ihnen nicht sagen, zumindest nicht am Telefon. Da könnte ja jeder kommen und sich als Kriminalbeamter ausgeben.« Sie klang immer noch freundlich, aber sehr bestimmt. Am Telefon würde er nicht viel erreichen, das spürte Fischbach.
    »Dieser Dr. Hohenknecht …«
    »Professor Dr. Hohenknecht«, korrigierte sie.
    »Ja, genau. Kann ich den Professor heute Vormittag sprechen?«
    Sie lachte. »Wo denken Sie hin? Sein Terminkalender …«
    Er kniff die Augen zusammen und rieb sich angestrengt die Nasenwurzel. »Hören Sie«, unterbrach er sie gereizt. »Das hier ist kein Spaßanruf, sondern bittere Realität. Ein Mann ist gestorben, und wir haben Ihre, respektive die Telefonnummer des Professors bei ihm gefunden. Und jetzt geben Sie mir, verdammt noch mal, einen Termin für heute Vormittag. Ansonsten lasse ich den Professor abholen und zur Befragung aufs Revier bringen. War das klar und deutlich?«
    Das würde zwar nicht ohne Weiteres gehen, doch er glaubte nicht, dass sie die leere Drohung durchschauen würde.
    Er hörte ein Rascheln. Sicher der Terminkalender.
    »Kommen Sie um zehn. Da trinkt der Professor immer seinen morgendlichen Kaffee.« Ihre Stimme klang gepresst.
    »Danke«, sagte Fischbach und legte auf. Geht doch, dachte er zufrieden.
     
    Wie immer, wenn Fischbach es sich erlauben konnte, vermied er die Autobahn. Er hasste Autobahnen. In seinen Augen waren es tiefe Schnitte in die Natur, die die Landschaft verschandelten wie ein Skalpellschnitt die unversehrte Haut eines menschlichen Körpers. Dabei blieben tiefe Narben zurück. Landstraßen dagegen passten sich dem Gelände an, wanden sich wie ein zum Meer strebender Fluss und behielten wenigstens einen Hauch von Naturverbundenheit. Er genoss die Gerüche von modrigem Waldboden, einer feuchten Wiese, ja sogar von Kuhdung, wenn der Harleymotor zwischen seinen Beinen vibrierte.
    Über Zülpich und Nideggen führte ihn der Weg durch den Hürtgenwald. Er spürte eine Gänsehaut unter dem Leder seiner Jacke. Ende 1944 hatte hier bis ins Jahr 1945 hinein eine der verlustreichsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs getobt. Tagelang wogte die Schlacht hin und her.

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