Eifelbaron
Zehntausende Soldaten ließen damals ihr Leben. Noch heute barg man Tote aus dem Boden.
Die Route führte Fischbach weiter durch den Nationalpark Hohes Venn, über Zweifall und Breinigerheide und schließlich nach Aachen hinein. Er schwamm einige Minuten im Verkehr mit und stellte wenig später sein Motorrad vor dem Eingang zum Klinikum ab.
Das Gebäude glich äußerlich eher einer Raffinerie als einem Krankenhaus. Wuchtig ragte es in den blauen Himmel.
Fischbachs Handy spielte »Highway to Hell«. Es war Bönickhausen.
»Hotte, ich hab da eben was vergessen. Hast du einen Moment Zeit?«
Fischbach brummte zustimmend und sah einer Dohle zu, die über seinem Kopf Kreise zog.
Bönickhausen erläuterte sein Anliegen in kurzen Sätzen.
»Ist für mich kein Problem, wenn es nicht länger dauert«, beschied ihn Fischbach.
»Bestens«, sagte Bönickhausen zufrieden. »Ach so, die Pressekonferenz habe ich für siebzehn Uhr angesetzt. Ist doch in Ordnung, oder?«
Fischbach bestätigte, verabschiedete sich und steckte sein Handy wieder ein. Dann betrat er das Gebäude. An der Rezeption fragte er nach dem Weg zu Professor Hohenknechts Büro. Die freundliche Empfangsdame erklärte ihm den Weg so gut, dass er das Vorzimmer des Professors auf Anhieb fand. Er klopfte.
»Kommen Sie rein, wenn es nicht der Sensenmann persönlich ist«, rief eine tiefe Stimme, gefolgt von glucksendem Lachen.
Fischbach drückte die Tür auf. Auf dem Stuhl, auf dem er die Sekretärin erwartet hätte, saß ein großer, korpulenter Mann mit tief liegenden Knopfaugen, die ihn vergnügt anblinzelten.
»Ich suche Professor Hohenknecht«, gab Fischbach sein Anliegen preis.
»Oh«, sagte der Mann. »Das tut mir leid. Der ist leider geplatzt.« Er lachte dröhnend.
Fischbach runzelte die Stirn. Der Typ hatte wohl einen Clown gefrühstückt.
»Kommen Sie rein.« Der Mann winkte Fischbach mit ausholenden Bewegungen ins Zimmer. »Ich bin Professor Hohenknecht. Meine Sekretärin ist gerade runter in die Kantine. Solange halte ich hier die Stellung.« Er klopfte sich auf seinen Bauch. »Geplatzt bin ich, Gott sei Dank, noch nicht. Sie fragen sich sicher, was der alberne Spruch sollte.« Hohenknechts Mundwinkel zuckten erwartungsvoll, und seine buschigen Augenbrauen tanzten auf und nieder.
»Ich denke, ich werde Sie nicht davon abhalten können, mir das zu erklären.«
Wieder lachte der Professor dröhnend.
Mit dem Lachen hätte man Jericho erobern können, dachte Fischbach und schmunzelte jetzt selbst.
»Gestern lag ich auf dem Sofa«, erzählte Hohenknecht, »und meine Enkelin fragte mich – also die ist sechs Jahre alt, aber total pfiffig, müssen Sie wissen. Sie fragte mich also, wo die Oma ist. Die war kurz in den Keller, um eine Flasche Rotwein auszusuchen. Ich habe geantwortet: ›Die ist geplatzt.‹« Seine Knopfaugen glitzerten freudig. »Solche Sprüche kommen mir manchmal einfach so über die Lippen. Ich dachte mir: Oh Gott, verschreck das Kind nicht so. Aber wissen Sie, was die Kleine gesagt hat?«
Fischbach schüttelte den Kopf.
»Sie hat sich umgesehen, ganz konzentriert den Raum abgesucht. Und dann hat sie gesagt: ›Opa, kann nicht sein, dann würden ja hier überall Stücke von der Oma rumliegen.‹« Professor Hohenknecht lachte brüllend und klopfte sich mit der Rechten mehrmals auf den Oberschenkel. In seinen Augenwinkeln bildeten sich Lachtränen.
»Nicht auf den Kopf gefallen, Ihre Enkelin«, sagte Fischbach. »Wenn auch ein wenig makaber. Für so ein kleines Kind, meine ich.«
Professor Hohenknecht winkte ab. »Liegt bei uns in der Familie. Wenn man nichts mehr zu lachen hat, dann hat man ein Problem, sage ich immer.«
Er stand auf und holte eine Kaffeetasse aus einem Sideboard rechts vom Schreibtisch. Aus der Thermoskanne, die auf dem Tisch stand, goss er reichlich ein.
Kaffeeduft stieg in Fischbachs Nase.
Hohenknecht drückte ihm die Tasse in die Hand. »Sie sehen ein wenig erfroren aus. Ziemlich bleich. Was fehlt Ihnen denn?«
»Ich bin mit dem Motorrad da. Ist frisch draußen«, erklärte Fischbach und wärmte sich die Hände an der Tasse, bevor er an dem heißen Kaffee nippte.
»Motorrad! Da fällt mir einer ein«, gluckste Hohenknecht und fuchtelte aufgeregt mit der Hand in der Luft herum. »Klasse Witz, also: Der Sohn kommt ziemlich kleinlaut nach Hause und fragt den Vater: ›Papa, soll ich dir gleich alles über meine erste Fahrt mit dem Motorrad erzählen? Oder willst du es lieber morgen in aller Ruhe in
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