Eifelbaron
Mann noch gelebt. Onkel Dieter? Nein, Onkel Dirk. Und Franz, ja doch, der hatte damals ebenfalls mit am Tisch gesessen. Und der hatte tatsächlich einen Sohn? Daran konnte er sich nicht erinnern. Seine Familie war einfach zu weitläufig und zahlreich.
»Flutschmoppen würde ich auch gerne noch mal essen«, sagte er und löffelte sein Ei.
»Wie kommst du denn von Hochzeit auf Flutschmoppen?« Sigrid schüttelte den Kopf. »Was sagst du nun dazu?«
Er überlegte. Eine Hochzeit bedeutete ein Wiedersehen mit der ganzen Familie. Das war Tradition bei den Fischbachs. Da kamen einige zusammen. Einhundert Gäste bestimmt, eher mehr. Ihm lief ein Schauder über den Rücken. Der Fischbach-Clan war nicht gerade für seinen freundlichen und zurückhaltenden Umgangston untereinander bekannt. Die Mitglieder der Familie Fischbach, allen voran seine Mutter, waren allesamt sture Köpfe. Dabei nahm er sich selbst nicht aus.
»Freut mich natürlich«, heuchelte er. »Aber zur Hochzeit willst du nicht wirklich, oder?«
Sigrid zog die Stirn kraus. »Warum nicht?«
»Wir werden doch wohl kaum wegen einer Hochzeitsfeier nach Indien fliegen«, erläuterte Fischbach, froh darüber, dass dieser Kelch an ihm vorübergehen würde. Plötzlich wurde ihm heiß und kalt gleichzeitig. Sigrid war doch gestern rüber zu der Nachbarin, um sich etwas über Indien erzählen zu lassen. Sie plante doch nicht tatsächlich eine Reise ans andere Ende der Welt? Fischbach schwitzte schon bei dem Gedanken an die enge Kabine und daran, dem Piloten vollkommen ausgeliefert zu sein. Panikattacken würden ihm die Kehle zuschnüren. Eingesperrt mit hunderten anderer Menschen in zehntausend Metern Höhe. Schrecklich!
»Ich habe gesagt, dass es eine indische Hochzeit sein wird, nicht, dass dem Franz sein Sohn in Indien heiratet«, stellte Sigrid richtig.
»Hä?«, fuhr er auf. »Verstehe ich nicht. Die heiraten also doch hier?« Sekundenlang verspürte er Erleichterung, dem Flieger entronnen zu sein. Aber dann blieb ja noch das Zusammentreffen mit seiner Familie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein katholischer Pfarrer begeistert sein wird, wenn er eine buddhistische Hochzeit zelebrieren soll.«
»Vielleicht aber eine hinduistische?«
»Hinduistisch?«, wiederholte Fischbach entgeistert. Er verstand inzwischen überhaupt nichts mehr. Ärgerlich blickte er auf die Butter. Sigrid stellte sie immer mit Absicht in seine Reichweite. Sie sähe es gerne, wenn er das Essen mehr genießen würde, was für sie irgendwie mit gehaltvollen Speisen zusammenhing. Gutes Essen hält Geist und Seele zusammen, war ihr Motto. Ihr war es egal, dass er einige Pfunde zu viel auf die Waage wuchtete. Er dagegen hasste seinen Rettungsring am Bauch mehr als einen Wolkenbruch, wenn er mit der Harley unterwegs war. Um einige Kilos abgespeckt würde er sich wohler fühlen, da war er sich sicher. Er schob die Butter fort und griff zum Marmeladenglas. Die kochte Sigrid noch selbst ein. »Dann von mir aus eine hinduistische Hochzeit«, brummte er. »Wann soll die denn stattfinden?«
»Am Sonntag.«
Fischbach schreckte auf. »Was? Jetzt am Sonntag? Warum weiß ich davon nichts?«
Sigrid zuckte mit den Schultern. »Ich hab’s dir gesagt. Aber du hörst bei so etwas ja nie zu.«
Er schwieg. Sigrid hatte nicht unrecht. Mitunter schaltete er auf Durchzug, wenn sie in ihrer guten Stimmung losplapperte und vom Hölzchen aufs Stöckchen kam. Aber vielleicht hatte er ja Glück, und eine indische Hochzeit ging flotter über die Bühne als eine deutsche. Seine Laune besserte sich augenblicklich. Die Aussicht, schnell wieder das Weite suchen zu können, beruhigte ihn ein wenig. Nicht, dass er seine Familie nicht mochte. Ganz im Gegenteil, jeden Einzelnen für sich allein genommen mochte er. Aber sobald sie im Rudel auftraten, versuchte jeder den anderen zu übertrumpfen, was regelmäßig in einem lautstarken, rechthaberischen Streit endete.
»Nimm doch Butter«, schlug Sigrid vor.
Fischbach antwortete nicht, sondern strich die Marmelade direkt auf die Brötchenhälfte. Genüsslich biss er ab.
Sigrid sah ihn finster an. »Butter ist gesund.«
»Ja, ja«, nuschelte er mit vollem Mund.
»Wenn du so weitermachst, wird dir dein Churidar zu weit sein.«
Fischbach meinte sich verhört zu haben. »Churi… Hä?«, hakte er nach.
»Churidar.«
Er hörte auf zu kauen und starrte sie an. »Hast du plötzlich einen Sprachfehler? Wovon redest du?«
Sie schmunzelte. »Churidars werden gerne von
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