Eifelbaron
indischen Hochzeitsgästen getragen. Es sind enge Baumwollhosen.«
Er verschluckte sich an seinem Kaffee und hustete krampfhaft. »So was zieh ich nicht an«, sagte er energisch, als er wieder Luft bekam.
»Doch, wirst du«, bestimmte Sigrid. »Ich habe schon alles bestellt.« Sie stand auf und kramte in der Schublade des Küchenschrankes. Dort lagerten sie ihre Post, bis sich irgendeiner aufraffte und die Ablage auf sich nahm. Meistens geschah das erst dann, wenn die Schublade überquoll und die zuoberst abgelegten Briefe hinten runterfielen und in den Tiefen des Schrankes verschwanden. »Ah, hier ist er.« Sie wedelte triumphierend mit einem Zettel in der Luft herum und knallte ihn Fischbach auf den Tisch.
Er nahm das Schreiben mit spitzen Fingern und überflog es. »Bestellbestätigung? Sherwani? … Sari? … Bollywood Versand? Du hast, ohne mich zu fragen, schon alles gekauft?«
Sigrid verschränkte die Arme vor der Brust und schob trotzig den Unterkiefer vor. Fischbach brach der Schweiß aus den Poren. Wenn sie diese Pose einnahm, wusste er, dass er verloren hatte. Er riss förmlich mit den Zähnen eine Ecke von seinem Marmeladenbrötchen ab und kaute mit kantigen Bewegungen. Er würde wie ein bunter Pinguin aussehen. Wie konnte man nur auf so eine blöde Idee kommen und indisch heiraten? Oder überhaupt heiraten, dachte er bitter und blickte zu Sigrid. Die schwieg immer noch. »So ‘ne Dress!«, spie er aus, sprang auf und stürmte aus der Küche. Er griff sich seine Lederjacke vom Haken der Flurgarderobe.
»Bevor ich es vergesse«, hielt ihn Sigrid zurück, die ihm gefolgt war. »Deine Mutter hat gestern Abend angerufen, als du schon im Bett lagst.«
Das hatte ihm gerade noch zum Glück gefehlt: Vorhaltungen, dass er sich zu wenig sehen ließ. Oder irgendwelche anderen Vorwürfe. Seine Mutter war da äußerst kreativ.
»Was wollte sie?«
»Hat sie nicht gesagt. Ruf sie halt zurück.«
Er streifte die Jacke über. Heute würde er sicherlich keine Zeit dazu finden. Vielleicht am Wochenende.
»Heute«, verdeutlichte Sigrid, kam auf ihn zu und legte eine Hand auf seinen Unterarm. »Bitte. Sie hörte sich … einsam an.«
»Sie wohnt im Altenheim«, warf Fischbach ein. »Wie soll sie denn dort einsam sein?«
»Einsam kann man auch unter tausenden von Menschen sein«, sagte Sigrid mit weicher Stimme.
»Ach komm.« In Fischbach rührte sich ein schlechtes Gewissen. Wie lange hatte er sie schon nicht mehr besucht? Drei Wochen? Oder war es schon einen Monat her?
»Zwei Monate«, flüsterte Sigrid. Offensichtlich hatte sie seine Gedanken erraten.
»Kannst du nicht?«, wand er sich.
Doch sie schüttelte nur den Kopf, drehte ihn um die eigene Achse und schob ihn in Richtung Haustür.
* * *
Gerade noch rechtzeitig und außer Atem betrat Welscher das Rechtsmedizinische Institut der Uniklinik Bonn am Stiftsplatz. Dabei war er früh losgefahren. Nach dem Streit mit Alex gestern Abend hatte er kaum geschlafen. Die ungerechten Vorwürfe, er hätte keine Zeit mehr für ihre Beziehung, hatten ihn wach liegen lassen. Dabei war Rainer bei dem Konzert sicher ein würdiger, weil generöser, Vertreter gewesen. Alex hatte eine ziemliche Sektfahne vor sich hergetragen. Früher waren sie doch auch ab und an getrennt ausgegangen. Warum also die Beschwerden? Plötzlich sollte alles anders sein?
Bereits um fünf war er aufgestanden.
Um während des morgendlichen Berufsverkehrs in die Stadt zu fahren, musste man ein geduldiger Mensch sein. Welscher hatte allein am Kreuz Bonn-Nord eine Dreiviertelstunde gebraucht, um endlich am Verteilerkreis in die Dorotheenstraße abbiegen zu können. Gott sei Dank hatte er sofort einen freien Parkplatz gegenüber des »Bon(n)ito« gefunden.
Eine Frau werkelte in dem großen Raum. Drei Reihen Leuchtstoffröhren leuchteten jeden Winkel aus. Rechts in der Wand befand sich ein Fenster, so groß, dass man einen Lastwagen hätte reinfahren können. Drei Tische standen auf beigefarbenen Fliesen, einer mit Steinplatte, die zwei anderen aus Edelstahl. Längs der Wände fanden sich noch ein paar Stahlschränke, ein Waschbecken, Mülleimer und Wäschesäcke. Wie in allen gut gesäuberten Klinikräumen roch es scharf nach starkem Desinfektionsmittel. Leider überlagerte das aber nicht ganz den süßlichen Geruch, der von der Leiche auf einem der Stahltische ausströmte.
»Sie sind sicherlich aus Euskirchen«, rief ihm eine groß gewachsene dunkelhäutige Frau entgegen, die bei der Leiche
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