Eifelbaron
Fischbach.
»Ist ja Ihre Aufgabe«, gab sie kühl zurück. »Der Nettersheim war übrigens ziemlich aufgebracht. Baron schuldete ihm wohl ein paar Euros.«
»Wissen wir«, sagte Fischbach. »Zeugen haben gesehen, wie Sie an dem Abend hinter Baron her sind, als der seine berühmt-berüchtigte Ansprache beendet hatte. Haben Sie ihn noch erwischt?«
»Ja.«
»Ja Herrgott noch mal«, schimpfte Fischbach plötzlich. »Lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen. Was hat er gesagt?«
Sie lächelte spöttisch. »Er hat gesagt, dass er mich liebt. Dann war er fort.«
»So was. Liebe. Das muss Sie ja ziemlich umgehauen haben«, konnte sich Andrea Lindenlaub nicht verkneifen zu sagen.
Carola Poth erwiderte nichts, sondern schlang die Arme um ihren Körper. Jetzt fröstelte sie doch.
»Hat er Ihnen gegenüber geäußert, dass er sich bedroht fühlte?«, wollte Fischbach wissen.
»Tut mir leid, nein. Wir haben allerdings auch nie viel geredet.«
Klar, dachte Andrea Lindenlaub angewidert. Sie wollte ja nur geritten werden. Diese Frau war das krasse Gegenteil von ihr, wie zwei Pole, die sich abstoßen.
»Kann ich jetzt wieder rein?«, fragte Carola Poth. »Langsam wird mir kalt.«
»Eins noch«, bremste Fischbach sie. »Wussten Sie von Barons schwerer Krankheit?«
»Krankheit? Bruce?«, fragte sie skeptisch. »Das kann nicht sein. Der vögelte wie ein Gott. Obwohl …« Sie zögerte, dachte nach. »Er hatte schwer abgenommen. Stand ihm gut. Aber dass das mit einer Krankheit … Möglich wäre es ja.«
Sie macht mit ihrem Liebhaber rum und merkt gar nicht, dass ein todkranker Mann ihr die Freuden bereitet, dachte Andrea Lindenlaub. Wie einfühlsam.
Fischbach entließ die Sängerin mit den Worten: »Danke, Frau Poth. Das wäre es fürs Erste.« Sie ging, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zurück in den Tanzsaal.
Der Mond tauchte am Horizont auf und hüllte die Nacht in ein blaues Licht. Die weißen Flächen der Fachwerkwand des Saals glitzerten.
»Findest du die jetzt immer noch so attraktiv?«, wollte Andrea Lindenlaub wissen.
Fischbach seufzte. »Figur ist nicht alles, gebe ich ja zu.«
»Und? Was meinst du?«
Er nahm sie am Arm und führte sie in Richtung der Fahrzeuge. »Schwierig. Ich traue ihr einiges zu. Sie scheint gefühlskalt und abgebrüht zu sein.«
Das Kopfsteinpflaster glänzte feucht. Frostkristalle funkelten im Mondlicht. Die Häuser der Baugruppe Westerwald warfen lange Schatten.
»Nehmen wir an, Baron hat ihr den Laufpass gegeben. Dann könnte ich mir vorstellen, dass so eine wie Carola Poth durchdreht. Aber ich denke, wir müssen uns darüber vorerst nicht den Kopf zerbrechen. Wenn Karlo Nettersheim und die Bandmitglieder das Alibi bestätigen, ist sie fein raus.«
Andrea Lindenlaub schmiegte sich an Fischbachs Seite. Sie fühlte sich so geborgen wie schon lange nicht mehr. »Hm, Nettersheim ist ja eher ein fragwürdiger Fürsprecher.«
»Wir werden sehen«, sagte Fischbach, ohne näher auf ihre Zweifel einzugehen.
Sie durchquerten das kleine Wäldchen hinter der Scheune der Gaststätte und erreichten den Parkplatz. Fischbachs Harley glich im Dunkeln einem sprungbereiten Panther.
Er setzte seinen Helm auf und streifte die Handschuhe über. »Wir sehen uns morgen«, rief er ihr zum Abschied zu und donnerte davon.
Andrea Lindenlaub sah ihm hinterher und seufzte. »Da ist er wieder fort, der große Bruder.« Ein wenig traurig startete sie den Motor ihres Wagens und fuhr nach Hause.
* * *
Welscher stürmte die Treppen hinauf. Endlich mal deutlich vor Mitternacht zu Hause. Das würde eine Überraschung geben.
Im Hausflur roch es nach Knoblauch und fettiger Bratensoße. Von oben aus der dritten Etage hörte er das Klavierklimpern der kleinen Müller-Göre, zu laut und absolut disharmonisch. Die könnte als Waffe eingesetzt werden, dachte er und lachte gut gelaunt.
Dass Fischbach ihn einfach so hatte ziehen lassen, überraschte ihn. So viel Mitgefühl hatte er dem alten Eifelkopp nicht zugetraut. Er nestelte in der Manteltasche nach seinem Schlüssel. Für eine Sekunde fürchtete er, ihn im Büro vergessen zu haben. Doch da spürte er schon die kalten Zacken der Bärte. Er schob den Wohnungstürschlüssel ins Schloss und sperrte auf. Leise Musik empfing ihn, es roch nach Vanille. Er zog seine Schuhe im Flur aus und schlüpfte in die Pantoffeln. Er mochte es nicht, wenn jemand mit schmutzigen Sohlen über das teure Parkett lief. Den Mantel hängte er an die Garderobe, zog
Weitere Kostenlose Bücher