Eifelbaron
sein Hemd straff und schlich in Richtung Wohnzimmer. Auf Licht verzichtete er, da die Tür nur angelehnt war und ein Lichtstreifen ihm den Weg wies. Vivaldi, Vier Jahreszeiten. Er liebte die CD. Gerade steigerten sich die Instrumente zum Gewitter. Kristallklar übertrug die Anlage die Töne. Sie war erst vier Monate alt, und er hatte Wert darauf gelegt, das Beste vom Besten zu bekommen. Lieber fuhr er weiterhin seinen schrottreifen Fiesta, als sich jedes Mal zu ärgern, wenn er zu Hause Musik hören wollte. Die Entscheidung zugunsten der teuren Hi-Fi-Anlage war nicht ohne Streit abgegangen. Doch er hatte sich schließlich durchsetzen können.
Aber irgendetwas schien heute nicht zu stimmen. Noch im Flur blieb er stehen und horchte. Während sich die Streicher in ein wildes Crescendo steigerten, waren Geräusche zu vernehmen, die definitiv nicht dazugehörten. Waren die Boxen defekt? Welscher schwitzte plötzlich. Zwar hatte er noch Garantie auf die Geräte, doch das würde sicherlich bedeuten, mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen auf den perfekten Klang verzichten zu müssen. Beruhige dich, dachte er, das Problem kannst du später angehen. Heute gilt es vordringlich, deine Beziehung zu retten.
Er stieß die Tür zum Wohnzimmer ganz auf. »Hi, Schatz«, rief er gut gelaunt. »Überraschung!«
Er benötigte einige Sekunden, um das zu verarbeiten, was er vor sich sah. »Rainer?«, sagte Welscher, bevor die Wut in ihm überkochte.
* * *
Fischbach fuhr nicht sofort nach Hause, sondern nach Euskirchen zurück. Er wollte Carola Poths Alibi sofort überprüfen und hatte außerdem noch etwas mit Nettersheim zu besprechen, wovon die anderen nichts erfahren mussten.
Die »Alte Tuchfabrik« war gut besucht. Das Licht des Speisesaals tauchte den Eingangsbereich in ein warmes gelbliches Licht. Diesmal ging Fischbach zum Hintereingang, nahm sein Handy und wählte. Fast augenblicklich meldete sich Nettersheim.
»Hotte hier«, sagte Fischbach. »Ich muss dich sprechen. Jetzt. Ich bin hinten.«
Er hörte noch ein Lachen, bevor er das Gespräch beendete. Kurz darauf wurde die Tür aufgestoßen. Nettersheim persönlich holte ihn ab. »Hotte, also ehrlich. Willst du dich wirklich mit einem stadtbekannten Kriminellen sehen lassen?« Er lachte dröhnend.
Fischbach folgte ihm ins Innere. Mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. »Deshalb bin ich ja hinten rein«, sagte er. Sie betraten das gut beheizte Arbeitszimmer. Ohne zu fragen, nahm sich Fischbach eine Zigarre und zündete sie an. Genussvoll ließ er den Rauch über die Zunge gleiten. »Deine Zigarren sind echt die besten.«
Nettersheim tat es ihm gleich, dann setzten sie sich. Zusammen sahen sie eine Weile dem Rauch hinterher, der zur Decke stieg.
»Wie lange kennen wir uns jetzt schon?«, fragte Fischbach wie beiläufig.
Nettersheim stieß die Zigarre in seine Richtung. »Tu doch nicht so scheinheilig, Hotte. Das weißt du selbst am besten. Es war nicht lange nach dem Unfall. Ohne meinen Stoff wärst du damals zugrunde gegangen.«
»Schnee von gestern«, murmelte Fischbach. Aber Nettersheim hatte recht. Vermutlich hätte er sich damals, in der schrecklichsten Zeit seines Lebens, ohne Kokain das Leben genommen.
»Sehr treffend formuliert«, bemerkte Nettersheim schmunzelnd.
»Die Sängerin Carola Poth«, begann Fischbach.
»Schnuckelig. Was ist mit ihr?«
»War sie hier bei dir? In der Nacht, als man Baron einen Kopf kürzer gemacht hat?«
»Aber ja doch. Streich sie von deiner Liste. Die drei sind erst morgens weg. Die genaue Uhrzeit habe ich nicht mehr parat, aber es dämmerte bereits, daran kann ich mich noch erinnern.«
Fischbach rollte die Zigarre zwischen seinen Fingern. Die Deckblätter knisterten. »Gut. Jetzt erzähl mir was über diesen Belgier, Wout Bertrand, den wir morgen hochnehmen«, forderte er.
»Ein kleiner Fisch mit einem ganz geringen Warenumsatz. Deshalb lassen ihn die Großen auch in Ruhe. Solltet ihr ihn hochnehmen und das Ganze als tollen Erfolg feiern, kann ihnen das aber nur recht sein. So würden sie selbst wieder eine Weile aus der Schusslinie kommen.« Nettersheim beugte sich vor, hielt das Feuerzeug an seine Zigarre und paffte erneut an. »Ganz daneben liegst du bei dem Belgier übrigens nicht. Typ Piranha, du verstehst? Der kann richtig fies werden.«
»Hat er Baron auf dem Gewissen?«
Gequält verzog Nettersheim das Gesicht. »Was ist mit dir los, Hotte? Direkter geht es ja wohl kaum. Deine Frage hat
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