Eifelbaron
Schmirgellaute, leise Musik und die Stimme einer Frau, die einen Schlager trällerte. Er klopfte an die Tür.
Das Schmirgeln verstummte, und kurz darauf wurde die Werkstatttür einen Spaltbreit geöffnet. Fischbach riss überrascht die Augen auf. »Jan? Was in Dreiteufelsnamen führt dich hierher?«
Welscher sah zu Boden. Er hätte nicht stören sollen. So gut kannten sie sich noch nicht, dass er hier mit seinen Problemen auftauchen konnte. Was für eine blöde Idee, schalt er sich selbst. Er wünschte sich plötzlich weit weg, für immer. Dienst schieben im friedlichen Allgäu, das wäre die Rettung. Er räusperte sich. »Darf ich reinkommen?«
»Na klar«, rief Fischbach eilig aus und öffnete die Tür vollends.
Welscher trat an ihm vorbei und sah sich um. Eine Werkbank, darüber an der Wand eine Vielzahl unterschiedlicher Werkzeuge: Schraubenschlüssel, Schraubendreher, Hämmer nach Gewichtsklassen sortiert und unzählige andere Geräte, mit denen Welscher nichts anfangen konnte. Im weißen Licht der Leuchtstofflampe lag ein mattschwarzer Motorradtank auf der Arbeitsoberfläche, daneben mehrere Bögen Schleifpapier. Rechts neben der Werkbank standen drei Metallspinde. Fischbachs Motorrad stand in der Mitte der Werkstatt. Hier, in dem kleinen Raum, wirkte die Maschine wuchtig und stark. Im hinteren Bereich war eine Plane über ein unförmiges Etwas gestülpt. Welscher erinnerte das Gebilde an einen umgestürzten Elefanten.
»Ich bin mit dir so hoch geflogen …«, trällerte die Sängerin im Radio, das auf einem Regal über den Werkzeugen an der Wand stand.
Welscher sah Fischbach überrascht an. »Du hörst Schlager? Ist das nicht Andrea Berg?«
Fischbach räusperte sich und eilte zum Gerät. »Da ist wohl der Sender weggelaufen.« Hastig drehte er an einem der Knöpfe, bis die Erkennungsmelodie von Radio Euskirchen ertönte. »Passiert mir hier ständig«, meinte Fischbach und zog die Nase hoch. »Ist eine blöde Gegend für Radioempfang.«
Welscher runzelte die Stirn. Irgendwie nahm er Fischbach nicht ab, dass der Sender nur versehentlich eingestellt war. Aber sei’s drum, er hatte andere Probleme. »Hast du was zu trinken für mich?«, fragte er und lehnte sich gegen die Werkbank, da nur ein Hocker zu sehen war, und den würde sicherlich Fischbach benutzen wollen.
Fischbach öffnete einen der Spinde. Drei Wasserkästen waren darin übereinandergestapelt. »Bier ist auch da«, teilte er Welscher mit und drückte ihm eine Wasserflasche in die Hand.
Der trank gierig. »Wasser reicht, danke«, sagte er und schraubte den Verschluss zu.
Fischbach setzte sich und nahm den Tank, legte ihn dann aber wieder zurück. »Was ist los?«
Welscher starrte zu Boden, auf die alten Holzdielen mit den großen Astlöchern, unter denen sich sicher die Mäuse wohlfühlten. Er spürte plötzlich alles gleichzeitig: Zorn, Trauer, Empörung, Rachsucht und Verbitterung. Seine Kehle zog sich zusammen, und er schluchzte auf. Bevor er es verhindern konnte, weinte er. Seine Knie wurden weich, und er ließ sich mit dem Rücken gegen die Werkbank gestützt zu Boden gleiten. »Ach Scheiße«, presste er heraus und schämte sich, obwohl er sich bereits vor vielen Jahren vorgenommen hatte, sich nie wieder seiner Tränen schämen zu wollen.
Fischbach stellte dankenswerterweise keine Fragen, sondern drückte ihm nur stumm ein Taschentuch in die Hand.
Welscher trocknete seine Tränen, doch der Strom wollte nicht aufhören. Warum nur war er hergekommen? Jetzt saß er hier und blamierte sich vor seinem Kollegen. Morgen würde die ganze Behörde wissen, dass er eine Heulboje war und seine Gefühle nicht im Griff hatte.
Etwas stupste ihn am Oberarm. Er sah hin und erschrak fürchterlich.
»Was …«, rief er aus und sprang auf die Füße. Augenblicklich fuhr sein Kreislauf Achterbahn. Die Werkstatt drehte sich, er schwankte, griff hinter sich und wollte sich auf der Werkbank abstützen, langte aber daneben und stolperte.
Beherzt packte Fischbach seinen Oberarm und verhinderte so, dass er hinfiel. »Nun mal langsam«, brummte er besorgt.
Welscher kniff die Augen fest zusammen, bis der Schwindel verschwand. Er blinzelte zu dem Vieh hinunter, das aus treuen Augen zu ihm aufblickte. »Was ist das?«, fragte er. »Gehört das nicht eingesperrt?«
Fischbach lachte freundlich und ließ ihn los. »Na, wenn du dir darüber wieder Gedanken machen kannst, dann scheint es dir ja besser zu gehen. Darf ich vorstellen: Das ist
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