Eifelteufel - Kriminalroman
Baumwollshirts, Koteletten und Frauen in grellbunten Kleidern.
Rita Lörsch tippte auf ein Gesicht. »Das bin ich.«
Welscher sah genauer hin. Von dem ehemals hübschen Gesicht war heute nicht mehr viel zu erkennen. Die Zeit hatte es mit Rita Lörsch nicht gut gemeint. »Was ist das für eine Gruppe?«, fragte er. »Ein Familienausflug?«
»Weit gefehlt.« Versonnen betrachtete sie das Foto. »Es war die schönste Zeit meines Lebens.« Einige Sekunden schien sie im Geiste weit weg zu sein, dann blinzelte sie und sagte: »Das ist eine Kommune.«
Fischbach nahm das Bild zur Hand. »Eine Kommune? Haben Sie mal in Berlin gewohnt?«
»Berlin?« Rita Lörsch runzelte die Stirn. »Wie kommen Sie darauf? Nein, hier in der Eifel.«
»Nicht möglich«, sagte Fischbach und schüttelte den Kopf. »In der Eifel? Niemals.«
»Und ob. Auf einem Bauernhof. Gar nicht weit entfernt, nur einige hundert Meter die StraÃe rauf. Die Ruinen stehen heute noch. Aber ich gebe Ihnen recht. Wir waren hier Paradiesvögel, Exoten, AuÃenseiter. Oder Schlimmeres: mit dem Teufel im Bunde.« Zaghaft lachte sie. »Wir schufen unsere eigenen Werte und lebten mehr oder weniger in den Tag hinein. Wir praktizierten die freie Liebe und scherten uns um nichts.« Minutenlang erzählte Rita Lörsch ohne Unterbrechung von dem Leben auf dem Hof.
Von der anschaulichen Schilderung bekam Welscher nach und nach eine gute Vorstellung von dem Tagesablauf in der Kommune. Es gibt Schlimmeres, zog er stumm ein Fazit.
»So war das«, endete Rita Lörsch und seufzte. »Und Björk hat das Ganze ins Leben gerufen.«
»Wer ist Björk?«, hakte Welscher nach.
Sie tippte auf einen Mann, der vorne in der Mitte der Gruppe stand. In den Armen hielt er zwei Frauen.
»Ich erwähnte noch nicht, dass wir uns andere Namen gegeben hatten. Wir wollten alles abstreifen, jede Fessel und Erinnerung zerschneiden. Björk achtete sehr darauf, dass unsere richtigen Namen geheim blieben. Nur er kannte sie und schwor jeden Neuankömmling auf Einhaltung dieser Regel ein.«
»Hatten Sie auch ein Pseudonym?«
Sie nickte. »Ida.«
»Aber so ganz hat das mit den Namen nicht funktioniert, tippe ich jetzt mal ins Blaue hinein. Habe ich recht? Sie wissen, wie Björk wirklich heiÃt?«
»HieÃ.«
»Er ist tot?«
»Allerdings. Erkennen Sie ihn denn nicht?«
Welscher nahm Fischbach das Foto aus der Hand. Einige Sekunden starrte er darauf. »Nein, sagt mir nichts.«
Ein süffisantes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Das, meine Herren, ist mein Exmann, Gustaf Lörsch.«
Erstaunt riss Welscher die Augen auf und fixierte erneut das Gesicht auf dem Foto. Nie wäre er darauf gekommen, so sehr unterschied sich das jugendliche Antlitz von dem vom Wasser aufgeweichten Greisengesicht, das sich bei ihm im Kopf eingenistet hatte.
»Er hat mir die Namen während unserer Ehe irgendwann mal verraten. Ich hatte damals gar nicht richtig zugehört, es war ja alles aus, vorbei und vergangen. Doch unterbewusst muss ich es abgespeichert haben. Schauen Sie sich den Mann hinter Gustaf an. Wir nannten ihn Ole, Ihnen dürfte der Name Paul Lange mehr sagen. Und das Foto hat Knut geschossen.«
»Knut?«, fragte Fischbach. »Ist mir kein Begriff.«
»Glaube ich gern. Sie kennen ihn als Andreas Resch.«
*Â *Â *
Inzwischen kamen sie fast jede Nacht. Ole meistens zuerst. Später folgte Björk. Obwohl sie versuchten, zärtlich zu sein, lieà ihre Gier sie trotzdem wie Tiere wirken.
Beim ersten Mal, in der Nacht, nachdem Agnetha abgereist war, hatte Sabine sich gewehrt. Doch der einzige Erfolg waren blaue Flecken und ein schrecklich schmerzender Unterleib gewesen. Rücksicht hatten die beiden beim nächsten Mal nicht darauf genommen.
Mit der Zeit hatte sie gelernt, es so zu erdulden, dass zumindest keine physischen Schmerzen zurückblieben. Leider war das nur ein kleiner Trost. Innerlich schwankte sie zwischen Zorn und Selbstmitleid, tief in ihr zerfleischte es ihre Seele.
Eine Weile hatte sie noch gehofft, Agnetha würde an der Seite von Polizisten zurückkehren. Dass ihre überstürzte Abreise nur Tarnung gewesen war, um alle in Sicherheit zu wiegen und dann überraschend zuzuschlagen. Aber nichts dergleichen war geschehen. Schweren Herzens hatte sich Sabine eingestehen müssen, dass dieser Strohhalm
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