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Eifler Zorn

Eifler Zorn

Titel: Eifler Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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Haupthaus, wo sich über
dem Speisesaal der Jungen die Wohnräume des Direktors befinden, ausgedehnt, in
der Hoffnung, ihr zu begegnen. Abends liegt er in seinem Bett, streicht mit den
Spitzen seiner Finger über die Kuppe des einen, von dem sie das Blut geleckt
hat, und spürt, wenn er die Augen schließt, immer noch ihre Lippen. »Was hat
Frieda damit zu tun?«, ruft er Ludwig hinterher, der bereits auf dem Weg aus
den Schlafsälen nach unten ist.
    »Psst!«
Ludwig bleibt auf dem Treppenabsatz stehen, eine Hand auf dem Geländer, dreht
sich zu Paul um und zischt: »Gleich!«
    Paul
versteht. Schweigend folgt er Ludwig. Aber erst nachdem sie das Morgengebet,
das kurze Frühstück und den Arbeitsbeginn in der Werkstatt hinter sich gebracht
haben, können sie wieder darüber sprechen. Leise und über ihre Werkstücke
gebeugt, immer auf der Hut vor dem Erwischtwerden. Während dieser ganzen Zeit
kann Paul an nichts anderes als an das Geheimnis zwischen Frieda und Ludwig
denken. Was das wohl sein kann und wie sehr es ihn schmerzen wird, wenn er es
erfährt. Ob er es wirklich hören will.
    »Du
kennst Frieda?« Er stockt, als ihm klar wird, wie unsinnig die Frage wirken
muss, und ergänzt: »Näher?«
    Ludwig
nickt. Strahlt.
    »Woher?«
    »Ich habe
ihr geholfen, den Baum aus dem Gemüsebeet zu ziehen, den die Überschwemmung
angetrieben hatte.«
    Paul
sieht es vor sich. Die beiden. Gemeinsam stemmen und schieben sie das schwere
Holz, verschwitzt und stolz auf ihre Arbeit, als es ihnen schließlich gelingt.
Er fühlt sich ausgeschlossen aus etwas, was er nie gehabt hat und doch so gerne
haben möchte. Sein Herzschlag pocht in seinen Ohren.
    »Wollt
ihr weglaufen?«, überwindet er schließlich seine Angst und schiebt Gelassenheit
vor. »Zusammen?«
    »Nein.«
Ludwig schüttelt den Kopf, und eine Welle der Erleichterung durchströmt Paul,
nur um in Hass umzuschlagen, als Ludwig ergänzt: »Wir wollen nicht weg. Frieda
wird ihre Familie nicht verlassen. Aber wir wollen uns treffen.«
    »Allein?«
    »Nein,
mit dem Direktor und seiner Frau und den Meistern und allen anderen.« Ludwig
griemelt und wird rot. »Hinten im Wald kenne ich eine kleine Stelle, wo uns niemand
findet.«
    Paul sagt
nichts dazu.
    »Du
darfst nicht schlecht über Frieda denken. Wir werden heiraten, wenn ich hier
rauskomme. Sie ist anständig, glaub mir.«
    Paul
nickt. Etwas frisst an ihm, und er weiß nicht, warum es so wehtut. Ludwig und
Frieda. Frieda und Ludwig. Er fasst sich an den Hals. Seine Kehle ist eng. »Ich
muss nachdenken«, sagt er und ist froh, als der Meister seine Runde beginnt.
    »Ludwig
hat mir gesagt, dass du es weißt.«
    Frieda
hat ihn in dem kleinen Gang zwischen dem Vorratshäuschen und dem Lager für das
Trockenholz abgepasst. Er ist nicht sicher, ob sie auf ihn gelauert hat oder ob
es Zufall ist, als sie vor ihm steht, einen Krug mit Sahne in der einen und
eine Schüssel mit Rüben in der anderen Hand. Er bleibt stehen, betrachtet sie.
Ihre Haare, den Schwung ihrer Wangen, die Frische ihrer Haut.
    »Und?«
    »Was
und?«
    »Hilfst
du uns?«
    Er zuckt
mit den Schultern.
    »Ludwig
sagt, du schuldest ihm was.«
    »So?«
    Frieda
schaut zu Boden, lässt die rechte Fußspitze im Sand kreisen. Dann hebt sie den
Kopf, sucht seinen Blick und stellt sich dicht vor ihn. Er kann ihren Atem
spüren, warm, wie ein weiches Tuch an seinem Hals. Er legt beide Hände auf ihre
Schultern und zieht sie an sich. Die Rüben kullern aus der Schüssel auf den
Boden, Sahne schwappt über den Rand des Krugs und landet mit leisem Platschen
auf seinen Schuhen. Frieda versteift sich unter seinen Händen, beugt ihren
Rücken nach hinten durch. Bringt Abstand zwischen sich und ihn. Verharrt.
    »Warum
Ludwig?«, flüstert Paul heiser. Er stellt sich vor, sie zu küssen, nichts mehr
als ihre Lippen zu spüren, die sich öffnen und seinen Kuss erwidern. Er
schließt die Augen, taucht tiefer ein in diesen Traum, löst sich darin auf.
Frieda bewegt sich in seinem Arm, und plötzlich sieht er Emma, die vor ihm steht,
ihre Hand ausstreckt und ihn genauso anlächelt, wie es sich unter seinen Lippen
anfühlt. Warm und nah und vertraut. Schwester. Er schnappt nach Luft, schiebt
Frieda von sich weg. Sie stehen sich wie zwei Krieger gegenüber.
    »Ich
glaube an ihn. An seine Ideen. Es ist falsch, wenn die einen sich am Unglück
der anderen bereichern. Ich hoffe für ihn.« Sie senkt den Kopf. »Und mit ihm«,
flüstert sie. »Wir werden ein bessres Leben haben. Er ist ein

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