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Eifler Zorn

Eifler Zorn

Titel: Eifler Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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Selbstachtung und den Willen ebenso wie die
Fähigkeit zur Gegenwehr zu rauben.
    »Als Luisa letztes Jahr
krank wurde und wir dachten, es sei etwas Schlimmes, hab ich im Internet nach
einer Spezialklinik gesucht und festgestellt, dass ein ehemaliger Schulfreund
von mir dort arbeitete. Ich hab ihn kontaktiert. Arno kontrollierte den Verlauf
der Internetchronik und meine Mails. Er ist ausgerastet. Warf mir vor, ich
würde ihn betrügen. Hat mir keine Möglichkeit gegeben, es zu erklären, hat
sofort zugeschlagen und nachgetreten, als ich auf dem Boden lag. Er hat
gebrüllt, ich soll aufstehen, weitergetreten, immer weitergetreten.« Sandras
Stimme verebbte. Ich hörte ihre Verzweiflung. Die Mutlosigkeit. Den Hass. »Ich
meine, was hab ich denn falsch gemacht? Ich wollte Luisa helfen. Meiner
Tochter. Seiner Tochter!«
    Ich erinnerte mich daran,
dass Luisa eine Zeit lang nicht in der Schule gewesen war. Henrike hatte etwas
von einer Schilddrüsenerkrankung erzählt, ohne aber die Ernsthaftigkeit zu
erwähnen.
    »Eines Tages hab ich
begriffen, dass er mich sowieso schlägt, egal, was ich mache.«
    »Hast du dich da
entschlossen, ihn zu verlassen?«
    »Nein.« Sie hustete und
krampfte. »Nein«, sagte sie, und ich hatte den Eindruck, ihre Kraft sei
zurückgekehrt. »Ich habe ihn umgebracht.«
    ***
    Sauerbiers Auto stand
noch nicht auf dem Parkplatz der Schleidener Wache, als Judith ihren Wagen in
der hintersten Ecke abstellte. Er war vor ihr in Bonn losgefahren und hatte, da
sie ihn auf der gesamten Strecke nicht überholt hatte, vermutlich einen anderen
Weg gewählt. Sie stieg aus, schwang sich ihren Rucksack über die Schulter und
betrat das Gebäude. Der diensthabende Kollege grüßte stumm hinter der Glastür,
als sie zum Treppenhaus ging.
    Das Büro war leer. Sie
setzte sich an ihren Schreibtisch, überlegte, was sie bis zu Sauerbiers
Eintreffen und der anschließenden Festnahme von Bianca Friese an Arbeiten
erledigen konnte, warf den Computer an und spürte, wie das Grollen über die
Großspurigkeit ihres Chefs wieder in ihr aufstieg. Er liebte es also, wenn die
Technik seine Intuition bestätigte. »Seine Intuition.« Ja sicher. Judith stieß
die Luft in einem langen Seufzer aus, drückte den Rücken durch und beugte ihren
Kopf zur rechten und danach zur linken Schulter. Entspannung und Konzentration.
Sie beschloss, ihren Ärger über Sauerbier hintanzustellen, ihre Arbeit nicht
davon beeinflussen zu lassen, und öffnete ihr Mailfach. Die Kollegen hatten
ihre Anfrage zu den Vermisstenanzeigen beantwortet. Sie überflog die wenigen
Auskünfte. Natürlich waren Jungen verschwunden, weggelaufen. Aber wie sich dann
zum Glück später herausstellte, waren alle wieder aufgetaucht. Hier kam sie
also nicht weiter. Sie seufzte und wollte das Fach schon wieder schließen, als
ihr etwas einfiel. Hatte eigentlich schon jemand die Zeugin Bianca Friese durch
die internen Datenbanken laufen lassen? Sie überflog die Einträge. Es sah nicht
so aus. Verdammt. Ging Sauerbier wie selbstverständlich davon aus, dass sie das
übernahm, und würde ihr einen Vorwurf machen, weil sie es nicht getan hatte?
Egal, ob es so war und welche Absicht dahinterstand, die Arbeit musste erledigt
werden, damit sie keine wichtigen Informationen übersahen. Rasch gab sie die
notwendigen Daten ein und startete die Anfrage. Sie war gespannt, wie lange sie
diesmal warten musste. Das System arbeitete rasch, wenn sie mitten im Einsatz
steckten und für ein erstes Einschreiten oder eine laufende Aktion
Informationen brauchten. Dann spuckte es im einstelligen Sekundenbereich das
Gewünschte aus. Diese Sofortauskünfte gab es für den Ermittlungsbereich nicht,
da musste man sich hinten anstellen und benötigte ein wenig mehr Geduld. Je
nachdem Minuten oder Stunden.
    »Kaffee?« Sauerbier
balancierte mit je einem Pappbecher in jeder Hand und seiner unter den Arm
geklemmten Aktentasche durch die Tür.
    »Danke!« Judith sah ihn
erstaunt an. Sauerbier hatte glänzende Laune.
    »Es geht wunderbar voran.
Die Kollegen in Uniform haben die Friese bereits eingesammelt. Sie sitzt im
Verhörzimmer und soll uns jetzt erst mal was erzählen zur Sache.« Er trank
einen Schluck und verzog die Mundwinkel. »Kein Vergleich mit Helgas Kaffee«,
murmelte er, stellte den Becher auf der Fensterbank ab und schob ihn
demonstrativ mit dem Zeigefinger noch ein Stückchen weiter von sich weg.
    »Ich beende nur eben die
Anfrage hier, dann komme ich.« Judith erhob sich und tippte im

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