Eifler Zorn
Weinz hat
als Erste mit ihr gesprochen. Ich rufe sie an.« Judith nahm ihr Handy aus dem
Rucksack, stand auf und ging ans Fenster. Zum einen, um einen besseren Empfang
zu haben, und zum anderen, um ungestört mit Ina reden zu können. »Bevor ich
wieder nach Gemünd fahre«, fügte sie hinzu. Sie wählte den Kontakt und wartete
auf ein Freizeichen.
»Bevor wir wieder nach Gemünd fahren.« Sauerbier stand auf. »Diese Friese steht unter
dringendem Tatverdacht der Leichenschändung und dem Mord an Arno Kobler. Das
reicht, um sie vorläufig festzunehmen, bis wir den richterlichen Haftbefehl
bekommen. Und das werde ich nicht Frau Weinz überlassen.«
»Der Teilnehmer ist zurzeit
nicht erreichbar, bitte versuchen …«, hörte Judith. Sie legte auf und
wählte Inas Privatnummer. Nach dem fünften Klingeln sprang der Anrufbeantworter
an.
»Seltsam.« Sie schüttelte
den Kopf.
»Polizei Schleiden«, meldete
sich die Zentrale umgehend, als Judith es dort versuchte.
»Judith Bleuler. Guten
Morgen. Ist Ina Weinz im Haus?« Nach einigen »Moments« und einem »einen
Augenblick noch« sprach die Schleidener Kollegin wieder mit Judith. Sie schien
zu wissen, mit wem sie es zu tun hatte, denn sie fragte nicht nach, sondern
sagte bedauernd: »Ina ist nicht da. Dabei hat sie Dienst und ist seit einer
halben Stunde überfällig. Der Chef hat versucht, sie zu erreichen, aber sie
geht nicht ran. Ich sage ihr Bescheid, sobald sie eintrifft.«
»Danke.«
»Wollt ihr nicht wissen, was
ich noch habe?«, fragte die Kollegin, als Judith aufgelegt hatte. »Nur so der
Vollständigkeit halber, bevor ihr hier in Aktionismus ausbrecht.«
Sauerbier lächelte sie an.
»Ich höre.«
»Die Kiste bestand aus
verschiedenen Holzsorten und war genagelt, nicht verschraubt.«
»Was sagt uns das?«
»Noch nicht viel.«
»Und weiter?« Sauerbier
wurde ungeduldig.
»Es wurden vier verschiedene DNA -Spuren an der Kleidung von Arno Kobler
gefunden. Alle vier stammen von Frauen.«
Judith zog ihren Stuhl zu
sich heran und setzte sich wieder.
»Eine stammt von der
Kollegin Sandra Kobler. Der Ehefrau des Opfers.«
»Das überrascht nicht«, warf
Sauerbier ein.
»Zwei konnten wir nicht
zuordnen, die vierte aber schon.«
»Lass mich raten.« Judith
packte ihre Papiere zu einem ordentlichen Stapel zusammen. »Bianca Friese?«
»Wir hatten Proben von ihr
zum Abgleich beim Fund der ersten Leiche genommen«, bestätigte die Kollegin.
»Tja.« Sauerbier stand auf,
rückte seinen Hosenbund zurecht und klatschte in die Hände. »Ich liebe es, wenn
die Technik meine Intuition bestätigt!«
ZWÖLF
»Hilfst du mir?«, fragt Ludwig.
»Warum
ich?«
»Weil du
mein Freund bist?« Er zieht Augenbrauen und Schultern hoch und zeigt für einen
Moment Unsicherheit.
Paul
steht neben seinem Bett im Schlafsaal, richtet zuerst das Laken und streicht
dann die Decke glatt. »Du weißt, dass ich nichts gegen die Regeln mache«, sagt
er und hofft, damit eine Antwort gegeben zu haben.
»Ich
vertraue dir.«
»Danke.«
»Wenn ich
dir sage, worum es geht, und du mir nicht helfen willst, versprichst du mir
dann, nichts zu verraten?«
Paul
zuckt mit den Schultern. Er will in nichts hineingezogen werden.
»Bitte!«
Ludwig lässt seine Hände, die er die ganze Zeit über in die Hüfte gestemmt hat,
sinken und deutet eine flehende Geste an.
Paul
nickt. Er ist es ihm schuldig. Ludwig ist sein Ohr, seine Verbindung zu den
anderen Jungen, die mehr und mehr Abstand von ihm nehmen und ihn aus ihrer
Mitte ausschließen. Sie spüren, dass er bald keiner der ihren mehr sein wird.
Dass er ein Stück der Macht bekommen wird, vor der sie sich alle fürchten. Aber
noch ist es nicht so weit, und er steht dazwischen. Gehört auf keine Seite, hat
niemanden, zu dem er gehen kann, wenn er Hilfe braucht. Außer Ludwig, der ihm
ungebrochen die Treue hält, von der er nicht weiß, womit er sie verdient hat.
»In Ordnung«, stimmt er zu. »Erzähl.«
Ludwig
strahlt. »Danke!« Mit einem letzten Ruck gibt auch er seinem Bett die
militärische Ordnung, die die Erzieher von ihnen verlangen, und nimmt seine
Jacke auf, die er achtlos auf den Boden geworfen hatte. »Frieda wird sich
freuen.«
Paul
runzelt die Stirn. »Frieda? Was hat sie damit zu tun?« Seit ihrer Begegnung vor
einigen Tagen auf seinem Weg zurück vom Kohlenhändler hat er sie nur aus der
Ferne gesehen, ihr zugelächelt und sich über jede freundliche Regung in ihrem
Gesicht gefreut. Hat seinen Weg von der Werkstatt zum
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