Eifler Zorn
voll Wasser laufen konnte, musste sie doch in der Nähe
des Baches sein oder im Keller, oder nicht? Es klopfte an die Autoscheibe.
»Wir haben das Haus von oben
bis unten durchkämmt, aber keine Kiste und kein Versteck gefunden«, sagte der
Beamte, als ich die Tür geöffnet hatte. »Dafür aber etwas anderes, was sich der
Erkennungsdienst dringend ansehen sollte.«
»Sag ihnen Bescheid, dass
sie sich drum kümmern. Wir müssen diese verdammte Kiste finden«, sagte ich,
stieg aus und ging auf den Garten zu. In der Mitte der Wiese blieb ich stehen,
drehte mich langsam um mich selbst und versuchte, die Umgebung durch die Augen
eines gewalttätigen Mannes zu sehen, dem es sehr wichtig war, die Fassade der
Gutbürgerlichkeit aufrechtzuerhalten. Gepflegter Rasen, ordentliche Terrasse,
geharkte Beete. Die Schaukel, der Unterstand, der Zaun am Ende des Gartens, das
Tor nur angelehnt, dahinter die Urft.
Ich stutzte. Etwas stimmte
nicht. »Ist im Haus ein Kamin?«, rief ich dem nächststehenden Beamten zu, als
mir klar wurde, was mich gestört hatte: Neben dem Holzklotz lag kein Stapel mit
fertigen Scheiten, auch keine größeren Stücke, die darauf warteten, zerhackt zu
werden.
»Nein.« Die knappe Antwort
reichte mir. Ich ignorierte den Schwindel, der sich in meinem Kopf ausbreitete,
und rannte zu dem Holzklotz. »Hierher!«, schrie ich, schob und zerrte an dem
Block, der sich nur schwer bewegen ließ. Vor meinen Augen tanzten Punkte in
schillernden Farben. Ich schnappte nach Luft. Hände griffen zu, ohne dass ich
hätte sagen können, zu wem sie gehörten. Gemeinsam wälzten wir den Block zur
Seite. Darunter kam eine Falltür zum Vorschein. Steffen kniete nieder, löste
den Riegel und öffnete die Tür. Ein Hohlraum, gerade groß genug, um einen
zusammengekrümmten Menschen darin einzusperren. Ich schrie auf. Der Hohlraum
war leer.
»Scheiße!« Steffen trat nach
dem Holzblock und ballte die Fäuste. Mein Magen krampfte. Ich schwankte und
hatte Mühe, nicht umzukippen, fühlte im gleichen Moment, wie Steffen mich
auffing und stützte. »Hat Sandra gesagt, dass sie Henrike eingesperrt hat?«, fragte
er. Ich sah ihn an und versuchte, meine Gedanken zu ordnen, mich zu erinnern,
was genau Sandra in dem Stollen gesagt hatte. Ich schüttelte langsam den Kopf.
Arno hatte Luisa in diesen Hohlraum eingesperrt. Das hatte sie gesagt, aber mit
keinem Wort erwähnt, was mit Henrike war. »Sie weiß, wer Arno umgebracht hat.
Sie durfte nichts …«, hatte sie gemurmelt, bevor sie das Bewusstsein
verlor. Ich war es, die daraus geschlossen hatte, sie hätte Henrike ebenfalls
in dieser Kiste eingesperrt, um zu verhindern, dass sie den Mörder verriet.
Aber diese Annahme war falsch gewesen. Ganz falsch. Ich stöhnte. Eine Mutter,
die darunter litt, was ihr Mann ihrem Kind antat, und ihn deswegen umbrachte,
tat doch nicht der einzigen Freundin dieses Kindes die gleiche Grausamkeit an.
»Sie hat sie nur
eingesperrt.« Ich fuhr herum und ging, so schnell es das Pochen in meinem Kopf
zuließ, über die Wiese auf das Haus zu und suchte nach dem Kollegen, der vor
ein paar Minuten mit mir über den »anderen Fund« gesprochen hatte. »Was sollte
sich der Erkennungsdienst ansehen?«, fragte ich ohne weitere Erklärung.
Vielleicht half uns das weiter. Er drehte sich um und bedeutete mir, ihm zu
folgen. Steffen blieb dicht hinter mir.
»Hier«, sagte der Kollege
und öffnete eine Tür. »Bitte den Raum nicht betreten. Wegen der Spuren«,
ergänzte er mit einem Blick auf Steffen. Ich sah hinein und brauchte einige
Sekunden, bis das Bild, das sich uns dort bot, einen Sinn für mich machte. Auf
dem Boden lagen zerbrochene Marmeladengläser, eine dünne rote Flüssigkeit
vermischte sich mit einer dunkleren, die an den äußeren Rändern bräunlich
eingetrocknet war. Es roch nach Alkohol. Auf dem Boden und an der Stirnwand des
Raumes verteilten sich Blutspritzer. Grüne Scherben wie ein zerstörtes Mosaik
verstreut auf dem Boden. Quer über dem Ganzen lag ein schweres Metallregal.
Achtlos weggeworfen ein Hammer. Sandra hatte die Wahrheit erzählt. Alles passte
zusammen. Wir hatten den Tatort gefunden. Ich sah mich weiter um. Gab es hier
Hinweise, die uns helfen konnten, Henrike zu finden? Am anderen Ende des Raumes
stand ein Hocker unter dem kleinen Kellerfenster. Ich blinzelte. Hatte sich das
Fenster bewegt? War es offen? Mit drei großen Schritten durchquerte ich den
Raum und hörte den Kollegen scharf die Luft einziehen, während ich mit
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