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Eifler Zorn

Eifler Zorn

Titel: Eifler Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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gefunden!«
Erleichterung und Sorge sprachen aus dem Tonfall. Steffen kniete neben Ina auf
dem Boden. Thomas Breitenbacher trat neben ihn, riss seinen Notfallkoffer auf,
hörte sie ab, fühlte ihren Puls. Vorsichtig stieg Judith über das Geröll bis
nach unten und trat einen Schritt zurück. Sie wollte nicht im Weg stehen. Inas
Lider bewegten sich. Sie stöhnte leise, kam zu sich. »Ina!«, riefen beide
Männer. Gleichzeitig.
    Judith zwang sich, trotz
ihrer Erleichterung nicht nur auf Ina zu starren. Sorge mischte sich in das
Gefühl. Sie zögerte. Sie hatte vier Menschen in dem Stollen erwartet. Wo waren
die anderen? Sie sah sich um. Ihre Augen hatten sich an die veränderten
Lichtverhältnisse gewöhnt, und sie erkannte weitere Umrisse.
    »Scheiße.« Sie stürzte zu
dem leblosen Körper, der beinahe vollständig unter Steinen begraben war.
»Sandra!«
    Thomas Breitenbachers Kopf
fuhr hoch. Mit seiner freien Hand gab er dem Sanitäter ein Zeichen, sich um
Sandra Kobler zu kümmern.
    »Sie hat ihren Mann
umgebracht und Henrike in einer Kiste eingesperrt«, flüsterte Ina. Schwach.
Verzweifelt. Sie hatte die Augen geöffnet und versuchte sich aufzurichten.
Thomas Breitenbacher stützte sie von links und Steffen Ettelscheid von rechts,
aber sie schüttelte den Kopf. »Nein, nicht. Henrike! Sie wird ertrinken, wenn
wir ihr nicht helfen.«
    ***
    Um mich herum drehte
sich alles, als ich mich hochkämpfte, und ich hatte Mühe, auf den Beinen zu
bleiben. Trotzdem biss ich die Zähne zusammen und versuchte, mich zu
konzentrieren. Mir war schlecht. In meinem Kopf pochte der Schmerz. Aber es
brachte nichts, wenn ich nicht klare Anweisungen gab. Fehler waren nicht
erlaubt.
    »Judith, ruf Hansen an. Sag
ihm, er soll Leute in Sandras Haus schicken. Sie müssen es auf den Kopf
stellen. Es muss eine große Kiste sein. Im Keller. In der Nähe des Bachs. Ich
weiß es nicht. Irgendwo dort. Sucht überall. Arno hat Luisa darin oft
eingesperrt. Wenn das Hochwasser kommt, läuft die Kiste voll, und Henrike
ertrinkt.« Meine Beine gaben nach. Thomas fing mich auf. Steffen zuckte zurück.
Auch er hatte seine Hände ausgestreckt, um mir zu helfen, wandte sich jetzt
aber an Judith.
    »Ich bringe Sie hin. Wir
brauchen jeden vor Ort«, sagte er und wechselte einen Blick mit Thomas. »Kommen
Sie mit ihr nach, sobald sie einigermaßen auf den Beinen steht.« Thomas nickte.
    »Nein! Ich fahre mit euch.
Sofort.«
    »Ina, du kannst
nicht …«, setzte Thomas an, aber ich unterbrach ihn.
    »Henrike ist mein Kind,
Thomas. Du glaubst doch wohl nicht, dass ich hier warte, bis du mir erlaubst zu
gehen!«
    Thomas sah mich an, zögerte.
Schließlich nickte er.
    »Wenn dir schlecht wird oder
du dich übergeben musst, wendest du dich umgehend an einen Arzt. Ich kann nicht
ausschließen, dass du eine Gehirnerschütterung hast. Und wenn ich sage
›umgehend‹, dann meine ich ›sofort‹. Klar?« Er wartete meine Zustimmung ab und
wandte sich um. »Steffen?«
    »Komme.«
    Das Grundstück der
Koblers grenzte im hinteren Teil an die Urft. Der Fluss fraß an den Rändern,
schwappte über die Ufer und verwandelte die Rasenfläche in einen Sumpf, auf den
der unablässig strömende Regen niederging. Vor dem Haus parkte ein
Mannschaftswagen, die Tür stand offen. Kollegen durchkämmten das Haus von oben
bis unten. Bisher offenbar ohne Erfolg. Sanitäter und ein Notarzt warteten noch
auf ihren Einsatz. Das breite Grundstück gewährte Einblick in den Garten
dahinter. Auf der Wiese stand ein Schaukelgerüst, dessen knallige Farben über
die Entfernung hinweg leuchteten. Die Schaukel hing schief. Dahinter trotzte
ein Unterstand für die Fahrräder dem Wetter. In einem massiven Holzklotz, der
im Schatten des überstehenden Dachs lag, steckte eine Axt.
    »Ich habe Angst«, flüsterte
ich und hatte das Gefühl, der Sicherheitsgurt würde mich einschnüren, mich auf
dem Beifahrersitz festhalten, mich daran hindern, auszusteigen und mit den
anderen gemeinsam nach Henrike zu suchen.
    »Wir finden sie sicher.«
Steffen machte Anstalten, auszusteigen. »Komm, Ina.« Er lächelte mich an, nahm
meine linke Hand in seine und drückte sie leicht. Die Wärme seiner Haut
überraschte mich und ließ mich spüren, wie eiskalt meine Finger geworden waren.
»Sie braucht dich.«
    »Ja.« Ich wandte den Kopf
und fixierte durch die fallenden Tropfen das Haus. Eine Burg, durch deren
Mauern nichts drang. Ein stummer Zeuge. Undurchlässig nach beiden Seiten. Wo
war die Kiste? Wenn sie

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