Eifler Zorn
Bettkante.
»Reg dich nicht auf. Dr. Müller hat gesagt, du sollst dich nicht
aufregen.«
»Pap, was ist mit Henrike?«
»Amalie ist bei ihr. Es geht
ihr gut. Sie ist ebenfalls zur Überwachung hier. Im Nebenzimmer. Sie schläft.
Sie wird alles gut überstehen. Körperlich ist sie, bis auf ein paar Kratzer,
unversehrt«, redete er ohne Unterbrechung auf mich ein, während er meine Hand festhielt
und sie mit dem Daumen streichelte. »Das Mädchen hat eine großartige Leistung
vollbracht.« Erneut versuchte ich, mich aufzusetzen. Hermann griff mir unter
die Arme und stopfte das Kopfkissen hinter meinem Rücken fest.
»Hat sie gesagt, was
geschehen ist? Wo waren die beiden? Warum hat sie sich nicht bei mir gemeldet?«
»Luisa wollte sich
umbringen. Henrike hat sie davon abgehalten«, sagte Hermann mit heiserer
Stimme. »Sie will nichts erzählen, nur dass sie Luisa überredet hat, es nicht
zu tun.«
»Wie?«
»Luisa hatte Sandras
Dienstwaffe und wollte sich damit erschießen.«
»Oh mein Gott.« Mir wurde
kalt. Wir durften die Waffen nicht mit nach Hause nehmen, sondern mussten sie
in der Waffenkammer der Wache verwahren, aber auch ich hatte der Versuchung,
sich den Weg zu sparen, schon oft nachgegeben.
»Luisa ist jetzt in
ärztlicher Obhut. In Sicherheit. Aber sie wird lange brauchen, um alles zu
verarbeiten.« Er senkte den Kopf. »Die Mutter bringt den Vater um«, murmelte
er, »das arme Kind. Henrike hat sich wirklich sehr toll verhalten.« Hinter
seinen Worten hörte ich die Sorgen, die er sich um Henrike machte. Wir schauten
uns an. »Das war hart für sie. Sie braucht dich jetzt, Ina.«
Ich nickte.
»Sie braucht uns alle. Sie
braucht eine Familie«, ergänzte Hermann und lächelte.
»Die hat sie.« Es klopfte,
die Tür öffnete sich, und Judith steckte ihren Kopf ins Zimmer.
»Hallo«, sagte sie und kam
näher. In ihrer Miene lag Zweifel, der aber mehr und mehr verflog, je näher sie
meinem Bett kam. »Es geht dir besser?«
»Ich bin wach. Und ich muss
mich nicht übergeben. Das ist doch ein Fortschritt, oder?«
»Kannst du sprechen? Ich hab
einige Fragen, die ich dir stellen muss.« Sie grinste zaghaft.
»Wie geht es Sandra?«,
fragte ich, erschrocken darüber, dass ich erst jetzt an sie dachte.
»Sie lebt, ist aber sehr
schwach. Die Ärzte haben entschieden, sie in künstlichen Schlaf zu versetzen.
Sie hat nicht nur viel Blut verloren, auch ihre Wirbelsäule ist verletzt. Ich
weiß nicht, wann wir mit ihr sprechen können.« Sie griff nach einem der
Besucherstühle und sah fragend zu dem Arzt hinüber, der immer noch neben meinem
Bett stand und Notizen in der Krankenakte machte. Er nickte.
»Wenn Frau Weinz sich fit
genug fühlt, können Sie hierbleiben.« Er drehte sich zu mir und mahnte: »Nicht
überanstrengen! Und sagen Sie Bescheid, wenn noch Fragen sind.« Dann verließ er
das Zimmer. Judith begrüßte Hermann und stellte den zweiten Besucherstuhl neben
meinen Nachttisch.
»Kannst du dich an das
erinnern, was in dem Stollen geschehen ist?« Sie sah mich erwartungsvoll an.
Auf ihrem Schoß lag ein Kinderbuch, und erst als sie es aufschlug, erkannte
ich, dass es ein Notizblock war.
»Ja.« Ich sah aus dem
Fenster. Der Regen hatte endlich aufgehört. »Sie hat gesagt, sie hat ihn mit
einem Hammer erschlagen, als er auf dem Boden lag.«
Judith nickte und machte
sich Notizen.
»Er hat sie gequält, Judith.
Er hat ihr und Luisa das Leben zur Hölle gemacht.«
»Hat sie gesagt, es war
Notwehr?«
»Nein. Er war bewusstlos,
als sie ihn getötet hat. Das Regal ist umgefallen, hat ihn erwischt, und sie
ist dazugekommen. Sie hat dann erst mit dem Hammer auf ihn eingeschlagen.«
»Wie oft?« Judith sah von
ihren Notizen auf. »Hat sie das gesagt?«
Ich zögerte, rief mir die
Situation ins Gedächtnis, versuchte, mich an meine Gedanken dazu zu erinnern,
an die Bilder, die ihre Worte in mir ausgelöst hatten, von Blut und Raserei,
die nur einen Ursprung hatten. Die Schuld des Opfers. »Nein.«
»Ina, du hast Arno Kobler
doch auch gesehen. Er hatte nur zwei Wunden an seinem Kopf. Eine
Doppelstriemenwunde vorne an der Stirn, die zu der Geschichte mit dem Regal
passt. Und eine Lappenwunde, die ihm mit dem Hammer zugefügt worden sein muss,
als er auf dem Boden lag. Eine Wunde, Ina. Nicht viele. Für jeden Richter sieht
das nach Vorsatz aus.«
»Judith. Im Stollen …
Sie war verletzt und dachte, sie würde sterben. Da achtet man nicht so auf
jedes Wort. Wir befragen sie noch einmal, wenn sie
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