Ein Abenteuer zuviel
schlüpfte in eine grüne Hose, die ihr eine Nummer zu groß war und sie ausgesprochen dünn und unweiblich aussehen ließ. Dann streifte sie sich ein weißes Hemd über, das einmal ihrem Vater gehört hatte, bevor sie es ihm vor Jahren abgeluchst hatte.
Es verbarg alles und machte ihren knabenhaften Look perfekt.
Zufrieden betrachtete sie sich im Spiegel. Ja, so würde sie ihrem ungebetenen Gast wirklich den Eindruck vermitteln, dass es ihr egal sei, ob er da war oder nicht, und sie sich seinetwegen keine Umstände gemacht habe. Und dass sie das reichlich bemessene Essen zubereitet habe, weil sie es sich selbst gern schmecken ließ.
Mit geradezu mathematischer Genauigkeit legte sie dann noch ihre gesammelten Notizen mitten auf den Wohnzimmertisch, so dass sie jedem ins Auge springen mussten. Auch das war eine eindeutige Botschaft.
Um Viertel nach sieben klingelte es an der Haustür. „Für Sie”, begrüßte Franco sie, kaum dass Ruth ihm geöffnet hatte, und reichte ihr eine Weinflasche.
Auch er war leger gekleidet. Allerdings trug er nicht die ihr inzwischen vertrauten üblichen Jeans, sondern eine dunkelgraue Tuchhose und dazu ein grau-schwarz gestreiftes Polohemd und eine Lederjacke.
„Das wäre nicht nötig gewesen.” Sie nahm die Weinflasche entgegen, hätte aber lieber auf jegliches
„Mitbringsel” verzichtet, auch wenn es nur eine höfliche Geste war.
„Doch, das ist es. Ich bringe Ihr Wochenende durcheinander. Wahrscheinlich mussten Sie einige Pläne ändern.” Er verstummte und fuhr nach einem Moment fort: „Ich hoffe eigentlich, dass es nicht der Fall ist.”
„Oh, es war nichts, was ich nicht auch auf einen anderen Abend verschieben konnte”, erwiderte Ruth unbestimmt und trat zurück, damit er hereinkommen konnte.
Diese zurückhaltende Antwort ist ja nicht gerade ein verheißungsvoller Auftakt, dachte Franco leicht verärgert und ermahnte sich, erst einmal keine weiteren neugierigen Fragen mehr zu stellen, bis Ruth sich zugänglicher zeigte. Es war schon lachhaft, wie sehr er sich darüber freute, sie zu sehen.
„Hier riecht’s gut.” Er atmete anerkennend und genießerisch ein, während er sich die Jacke auszog. „Ich hoffe, Sie haben sich nicht zu viele Umstände gemacht.”
„Nicht mehr, als ich mir für jeden anderen auch gemacht hätte, selbst wenn es ein Geschäftsessen ist.” Sie nahm ihm die Jacke ab, hängte sie an einen Haken neben der Haustür und ging ins Wohnzimmer zum Couchtisch.
„Bieten Sie mir keinen Drink an?” Franco nahm ihr die Flasche wieder ab. „Sagen Sie mir, wo Sie den Öffner aufbewahren, und ich schenke uns ein Glas ein.” Schon drehte er sich um, und Ruth verstellte ihm schnell den Weg. Er hatte in der Küche nichts zu suchen. Und es gefiel ihr schon gar nicht, wenn er womöglich alle Schubladen aufzog, um einen Flaschenöffner zu finden, und anschließend auf der Suche
nach Weingläsern in jeden Schrank blickte.
„Geben Sie sie mir. Sie können im Wohnzimmer warten und schon einmal anfangen, die Notizen durchzusehen.”
Ich sollte gleich wieder hierher zurückkehren, nachdem ich die Gläser ins Wohnzimmer gebracht habe, überlegte sie, während sie den Korkenzieher holte. Sie würde länger in der Küche herumhantieren und ihm so genug Zeit zum Lesen lassen, was den Abend enorm verkürzen würde.
Francos Anwesenheit in ihrer Wohnung machte sie entsetzlich nervös. Ihre Hände zitterten, so dass sie Schwierigkeiten hatte, die Flasche zu öffnen. Endlich hatte sie es geschafft und nahm, in Ermangelung richtiger Weingläser, zwei Wassergläser aus dem Schrank. Die Form stimmt in etwa, wenn man es großzügig betrachtet, dachte sie spöttisch, aber sie fassen wesentlich mehr. Daran sollte sie nachher beim Trinken denken, sonst stieg ihr der Alkohol noch zu Kopf und machte ihre Verwirrung komplett.
Als sie mit den gefüllten Gläsern ins Wohnzimmer zurückkehrte, hatte Franco sich über die Notizen gebeugt. Das sieht sehr geschäftsmäßig und vielversprechend aus, überlegte Ruth.
„Schön, dass Sie kommen.” Er klopfte bezeichnend auf den freien Platz neben sich auf dem Sofa. „Sie hatten Recht bezüglich Ihrer Handschrift. Ich fürchte, Sie müssen mir einiges entziffern.”
O verflixt, was soll ich denn jetzt tun? fragte sich Ruth völlig überrascht und stellte erst einmal die Gläser ab. Und während sie noch unschlüssig dastand, klopfte er erneut auf den Platz neben sich, diesmal energischer.
„Was, zum Beispiel, soll das
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