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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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Werkstil des 19. Jahrhunderts und seiner Häßlichkeit.
    Eher dachte ich schon an ein Verteilerwesen, an Laboratorien, Akkumulatoren und Tankstellen. Es konnten Stoffe abgeliefert und in Empfang genommen werden, wie hier an den Bienenständen, zu denen nicht nur Nektar gebracht, sondern von denen offensichtlich auch Kraft empfangen wurde, denn ich sah, wie die gläsernen Gebilde förmlich abgeschossen wurden, wenn sie sich entleert hatten.
    Die Luft war nun von einem hellen, gleichmäßigen Pfeifen erfüllt, von einem Pfeifen, das zwar nicht einschläferte, wohl aber die Aufmerksamkeit hypnotisch abdichtete. Ich mußte mich anstrengen, Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden, um nicht Visionen anheimzufallen, die Zapparonis Thema aus eigenem fortspannen.
    An gläsernen Bienen hatte ich, wie gesagt, verschiedene Modelle beobachtet. Seit einiger Zeit tauchten in ihrem Strudel noch andere Apparate auf. Sie waren auf das mannigfaltigste an Größe, an Form und Farbe unterschieden und hatten offenbar nicht das mindeste mehr mit Bienen und Imkerei zu tun. Diese neuen Gebilde mußte ich nehmen, wie sie kamen – ich hielt mit der Ausdeutung nicht Schritt. So mag es uns gehen, wenn wir an einem Riff die Tiere betrachten: wir sehen Fische und Krebse, erkennen auch die Medusen, dann aber steigen Wesen aus der Tiefe, die uns unlösbare, beängstigende Rätsel aufgeben. Ich war hier wie ein Mensch aus der Kulturzeit, den man an eine Kreuzung stellt. Er wird nach einigem Erstaunen leicht erraten, daß die Automobile eine neue Art von Kutschen sind. Dazwischen aber bestürzen ihn Konstruktionen in Callots Manier.
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    Kaum also in Zapparonis Einrichtung eingestiegen, hatte ich mir Verbesserungen ausgedacht. Das liegt im Zug der Zeit. Als nun die undurchsichtigen Figuren auftauchten, begann ich, unruhig, vexiert zu werden; auch das ist ein Zug der Zeit, deren Rangordnung sich durch die Beherrschung der Apparaturen bestimmt.
    Was mochten die neuen Apparate zu bedeuten haben, die sich in die Bienenschwärme einmischten? Es blieb immer das gleiche: kaum hatte man eine neue Technik begriffen, so zweigte sie auch schon ihre Antithese aus sich ab. In die gläsernen Ströme reihten sich bunte Individuen ein wie Porzellanperlen in eine Glaskette. Sie waren schneller, wie etwa in einer Autokolonne Wagen der Rettungswache, der Feuerwehr, der Polizei. Andere kreisten in der Höhe über dem Verkehr. Sie mußten größeren Umfang haben; ihn zu bestimmen, fehlten mir die Maßstäbe. Besonders beschäftigten mich die grauen Apparate, die vor den Ständen und nun auch ganz in der Nähe das Terrain abflogen. Zu ihnen gehörte einer, der wie aus mattem Horn oder aus Rauchquarz geschnitten war. Er kreiste schwerfällig in geringer Höhe um die Laube, so daß er fast die Tigerlilien streifte, verharrte auch hin und wieder reglos in der Luft. Wenn sich Panzer im Gelände verteilen, überschweben Beobachter sie auf ähnliche Art. Vielleicht war hier eine Aufsicht oder eine Befehlszelle. Ich behielt diesen Rauchgrauen besonders im Auge und suchte zu ermitteln, ob seinen Bewegungen Veränderungen in der Masse der Automatenschwärme korrespondierten oder nachfolgten.
    Die Beurteilung der Größenverhältnisse war schwierig, weil es sich um Objekte handelte, die außerhalb der Erfahrung lagen und für die im Bewußtsein keine Norm gegeben war. Ohne Erfahrung gibt es kein Maß. Wenn ich einen Reiter, einen Elefanten, einen Volkswagen sehe, gleichviel auf welche Entfernung, kenne ich sein Maß. Hier aber wurde der Sinn verwirrt.
    In solchen Fällen pflegen wir auf die Erfahrung zurückzugreifen, indem wir Teststücke zu Rate ziehen. Ich suchte also, wenn der Rauchkopf sich in meinem Feld bewegte, gleichzeitig einen bekannten Gegenstand zu erhaschen, der mir den Maßstab gab. Das war nicht schwierig, da der Graue seit einigen Minuten zwischen mir und dem nächsten Sumpfloch pendelte. Diese Minuten, während deren ich, die Augen an den Quarz geheftet, langsam den Kopf bewegte, wirkten besonders einschläfernd. Ich konnte nicht sagen, ob die Veränderungen, die ich auf der Oberfläche des Automaten zu erkennen glaubte, sich in der Wirklichkeit abspielten oder nicht. Ich sah Farbwechsel wie bei optischen Signalen, so ein Erblassen und dann ein jähes, blutrotes Aufleuchten. Dann wurden schwarze Auswüchse sichtbar, die sich wie Schneckenhörner ausstülpten.
    Bei alldem vergaß ich nicht, die Größe abzuschätzen, wenn der Rauchgraue den Pendelschlag verkehrte

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