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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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Automatentreiben, das mich eben noch so völlig im Bann gehalten hatte, verschwunden wäre; ich nahm es nicht mehr wahr. Ich hielt für möglich, daß es eine Spiegelung gewesen war.
    Zugleich berührte mich ein eisiger Anhauch, die Nähe der Gefahr. Ich fühlte meine Knie schwach werden und ließ mich in den Sessel zurückfallen. Ob wohl mein Vorgänger in ihm gesessen hatte, bevor er verschwunden war? Vielleicht hatte ihm eines dieser Ohren gehört? Ich fühlte einen glühenden Strich am Haaransatz. Jetzt ging es nicht mehr um eine Anstellung. Jetzt ging es um Kopf und Kragen, und wenn ich heil aus diesem Garten herauskommen würde, konnte ich von Glück sagen.
    Der Fall mußte durchdacht werden.

EINE GEFÄHRLICHE BEGEGNUNG, 1983
    Hinter der Madeleine
    13
    Dem fast noch sommerlichen Tage war eine Abkühlung gefolgt. Sie ließ den Nebel aufsteigen, der sich langsam vom Fluß her in den Straßen ausbreitete. Er schob sich wie ein Teppich von den Brücken den Berg hinan. Das Licht der Sterne schien durch seinen Schleier und verlosch dann ganz. Auch die Geräusche wurden matter, wattiger. Man hörte den Hufschlag der Pferde und das Rollen der Wagen, die von den Theatern zurückkehrten.
    Der Nebel verleiht den Städten eine intime Note, einen Kammerton. Tagsüber mildert er die Formen und dämpft das grelle Licht. Bei Nacht verwandelt er die Quartiere in große Häuser, in denen sich Flur an Flur und Zimmer an Zimmer schließt. Es gibt Naturen, die solches Wetter verabscheuen, und andere, die es auf die Straße zieht. Zu ihnen zählen nicht nur jene, die das Enge, Vertraute lieben, sondern auch alle, die gern maskiert gehen. Einsame, die den Tag mit sonderbaren Grillen verdämmert haben, werden nun munter wie Fledermäuse auf den Dachböden. Die Liebespaare umarmen sich wie unter Tarnkappen. Lepröse genießen die reine Luft. Raubtiere begehen ihre Wechsel, während man in den Häfen die Nebelhörner hört.
    Gerhard wartete schon eine halbe Stunde hinter der Madeleine an der Ecke, die ihm bezeichnet worden war. Die Blumenhändler hatten ihre Stände längst geschlossen, doch ein Duft von Reseden kam noch aus dem Abfall und teilte sich dem Nebel mit. Gerhard war zwar erschöpft, doch wach und voll Erwartung; er hatte nach dem Abschied von Ducasse noch weite Gänge durch die Wälder jenseits der Brücke von Saint-Cloud gemacht.
    Zu Hause hatte er Irenes Brief gefunden; er hatte ihn wie ein Zuruf überrascht, wenngleich nicht sonderlich erstaunt. Er war ja immer in Erwartung von etwas Wunderbarem; die Erfüllung konnte ihn beglücken, doch mit der Stimmung: »Ich habe es gewußt.« Ducasse hatte also recht gehabt, als er den Vorschlag mit den Blumen machte – die Dinge waren wahrscheinlich einfacher, als er, Gerhard, vermutete. Es gab da Formeln, die man kennen mußte, Geheimvorschriften für Erwachsene.
    Die vorgeschlagene Stunde konnte man schon nicht mehr unpassend nennen, denn das Unpassende ist ein Grenzbegriff. Gerhard schloß aus ihr eher, daß es sich um etwas Außerordentliches handeln müsse – um eine jener Prüfungen, bei denen er Ergebenheit, Mut und Treue beweisen konnte und von denen er so oft geträumt hatte. Es hätte ihn noch weniger erstaunt, wenn er dazu an einen ungewöhnlichen Ort gerufen worden wäre – in eine Katakombe, auf einen Friedhof oder in einen dunklen Wald.
    Wieder und wieder hatte er die flüchtigen Zeilen des Billetts gelesen; er wußte sie auswendig. »Ob Sie mir helfen können? O gewiß! Wie gut Sie das erraten haben – es hat mich wie ein Wunder angerührt.«
    Sie hatte also gefühlt, was ihn bewegt hatte. Wortloses Einverständnis – das war das Schönste, mehr als Poesie. So mochten Blumen von einem Wind bewegt werden – Blumen, zwischen denen ein Lichtstrahl den Boten spielt. Aber was konnte er für sie tun? Wie kam es, daß sie auf ihn, den Unerfahrenen, verfallen war? Doch guter Wille vermochte viel. Er würde sein Blut für sie hingeben.
    Er fühlte sich hell und warm, in einer Art von Trunkenheit. Der Nebel hüllte ihn wie ein Mantel ein. Wie gut, daß er Herrn Ducasse getroffen hatte, das konnte kein Zufall sein. Offenbar hatte er ihn verkannt. Ducasse mochte zu den Boten zählen, die Schlüssel überreichen, wenn man vor verschlossener Türe steht. Bald würde sich alles ändern, das war gewiß. Und plötzlich, unerklärlich, flog ihn ein Schauder an. Er sah die Lampen, um die sich der Nebel zu gelben Bällen verdichtete. Die Dinge rückten an ihn heran.
    Ein Wagen

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