Ein Abenteurer und Gentleman (Historical My Lady) (German Edition)
Hände, und Justin nahm die Glückwünsche entgegen. Dabei fiel ihm ein, dass er noch nicht einmal formell um Alina angehalten hatte. Er war ihr aufgezwungen worden, hatte sie abgewiesen, hatte seine Abweisung zurückgenommen, sie hatte das wiederum abgewiesen – aber er hatte ihr bisher keinen Antrag gemacht, und sie hatte bisher nicht Ja gesagt.
„Entschuldigt mich“, sagte er und stellte den Teller ab, den er sich gerade am Büfett füllen wollte – heute Morgen war er absolut ausgehungert. „Ich muss etwas aus meinem Zimmer holen.“
Um nicht Alina in die Arme zu laufen, benutzte er wieder die für die Dienerschaft reservierte Hintertreppe und betrat sein Zimmer just in dem Augenblick, als Wigglesworth vor dem großen Spiegel seine Perücke aufsetzte.
„Mylord!“, rief der Diener, offensichtlich peinlich berührt, mit kahl geschorenem Haupt ertappt zu werden.
„Guter Gott!“, rief Justin. „Sie hatten recht damit, den Frauen diesen Anblick zu ersparen. Sie sind ja kahl wie eine Billardkugel!“
„Mylord!“, wiederholte Wigglesworth entsetzt und stülpte sich die Perücke derart hastig auf, als wäre sein Schamgefühl verletzt worden. „Sie sollten beim Frühstück sein! Kann man sich denn auf nichts mehr verlassen?“
Justin blieb todernst. „Bitte tausendmal um Entschuldigung, ich werde mich bemühen, in Zukunft etwas verlässlicher zu sein.“
„Vielen Dank, Sir.“ Wigglesworth rückte die Perücke zurecht, die ihm ob seiner Hast schief auf einem Ohr saß. „Sir, ich habe den Seidenüberwurf inspiziert und darf sagen, dass er kaum gelitten hat. Es waren nur ein paar Fäden gezogen, und das habe ich repariert. Aber Sie werden ihn nicht noch einmal misshandeln, Sir? Ich weiß nicht, ob ich das überstehen würde.“
„Ich denke, ich kann mich zurückhalten. Wigglesworth, wo ist meine Schmuckschatulle?“
„Ah, also haben Sie es selbst bemerkt!“ Wigglesworth trottete zu einer hohen Kommode und öffnete das oberste Schubfach. „Ich mochte es nicht sagen, doch ich dachte, die Onyx-Manschettenknöpfe würden wesentlich besser zu Ihrer Weste gepasst haben. Die mattgoldenen passen viel besser zu …“
Ohne darauf einzugehen, nahm Justin etwas aus der Schatulle. „Danke, Wigglesworth. Ich gehe wieder nach unten; tun Sie, was immer Ihnen in den Sinn kommt, wenn ich nicht hier bin.“
Auch für den Rückweg wählte er den Dienstbotentrakt, wo ihm niemand auch nur einen Blick schenkte. Wahrscheinlich dachten die Bediensteten nur, dass der Adel sowieso ein bisschen seltsam war, und übersahen grundsätzlich jeden, der auftauchte, wo er nichts zu suchen hatte.
Als Justin den Frühstückssalon erneut betrat, stand Alina, einen Teller in der Hand, am Büfett; anscheinend fiel es ihr schwer, sich angesichts der großen Auswahl an Speisen zu entscheiden.
Sie sah wundervoll aus, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich erst im Morgengrauen ins Haus zurückgestohlen hatten. Kichernd und flüsternd wie Kinder waren sie über die Hintertür zu ihren Zimmern gehuscht, er beladen mit dem flämischen Überwurf. Vor ihrer Tür hatte er sie noch einmal heiß geküsst, ehe er endlich sein Zimmer aufsuchte, wo er nur noch auf sein Bett gesunken war. Bis zum Morgen, als ihn sein grollender Magen weckte, hatte er tief und traumlos geschlafen.
Ah, wie gut, sich wieder lebendig zu fühlen … Überhaupt zum ersten Mal in seinem Leben richtig lebendig! Ein paar Probleme mussten noch gelöst werden, aber heute würde er nicht darüber nachdenken. Der heutige Tag gehörte Alina. Morgen musste er sich wieder mit der Welt befassen.
„Alina“, sagte er, als sie sich zu ihm umwandte und ihn übermütig und schamlos verliebt anlächelte. Sie strahlte geradezu. Für ihn. Er neigte nicht zu Demut, doch Demut empfand er nun, Demut und Dankbarkeit. „Ich habe etwas vergessen.“
Ihr Lächeln verblasste. „Wohin willst du dieses Mal? Ich dachte, uns bliebe wenigstens dieser eine Tag …“
Ehe sie sich in Rage reden konnte, trat er vor sie hin, ergriff ihre freie Hand und sank auf ein Knie nieder.
„Justin!“
Stühle rückten, als sich die andern vier Anwesenden neugierig umwandten, weil Alina so überrascht geklungen hatte. Selbst die beiden Lakaien bei der Anrichte starrten.
„Pscht, Kätzchen, ich mache mich hier gerade zum Gespött“, murmelte er, griff in seine Tasche und zog den Ring hervor, den er aus seinem Schmuckkasten genommen hatte.
Nicht den, den seine erste Frau getragen hatte,
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