Ein Akt der Gewalt
seine Schulter in dessen nackten Bauch und drängt ihn mit dem Rücken gegen die Wand.
Mit seiner ganzen Kraft, mit all seinem Zorn und seiner Entrüstung holt Peter aus und schlägt zu. Seine Faust kracht auf Rons Kinn. Mit dem Schwung des Schlags wird Rons Kopf nach links geschleudert, aber bietet noch so viel Widerstand, dass Peter spürt, wie sein Ringfinger beim Aufprall bricht, spürt, wie der Knöchel nachgibt und in die Hand gepresst wird, zerquetscht wie eine leere Bierdose. Schmerz schießt seinen Arm hinauf, ein elektrischer Schlag, der durchs Knochenmark zu jagen scheint. Aber das verstärkt nur noch seinen unbändigen Zorn. Ebenso wie der Anschein, dass der Treffer Ron weniger zugesetzt hat als ihm selbst. Peters Hand brennt wie Feuer, und Ron dreht sich einfach um zu ihm, sieht ihn wieder an und sagt: »Peter, du verstehst lei…« Aber Peter lässt ihn nicht aussprechen. Er schlägt wieder zu, trifft diesmal die Nase, und die Nase ist weich. Er spürt, wie sie unter der Wucht seines Hiebs verbiegt, unter seiner schmerzenden Faust, und dann spürt er, wie etwas in Rons Nase bricht wie ein trockener Zweig – nur klingt das Geräusch nicht gerade trocken -, und er sieht Blut aus Rons Gesicht schießen, hinunterströmen über seinen Mund, auf seine nackte Brust tropfen und auch auf seinen leicht gewölbten Bauch. Der Mann hat immer noch eine Erektion. Unglaublich. Und Ron wischt sich mit dem Handrücken das Blut aus dem Gesicht und sagt verdammt nochmal gelassen: »Langsam verliere ich die Geduld.« Er verliert die Geduld? Peter will, dass er zu Boden geht, daliegt und um Gnade winselt. Peter will derjenige
sein, der gewinnt – nur dieses eine Mal. Er wendet alles auf, was er zu bieten hat, um diesen Mann in die Schranken zu weisen, und der Kerl nimmt kaum Notiz davon, sondern verliert nur langsam die Geduld. Er hat bisher nicht einmal versucht, zu gewinnen, wird aber unweigerlich der Sieger sein. Da ist Peter sicher. Denn er selbst hat bereits verloren. Aber er versucht trotzdem einen letzten Schlag – einen allerletzten Faustschlag. Ron fängt ihn ganz lässig in der offenen Hand ab wie einen Baseball und schiebt die Faust einfach zur Seite. Damit verflüchtigt sich alle Wut, alle Rage, und an ihre Stelle tritt die Einsicht der vollkommenen Niederlage. Er hat verloren. Er ist kein Mann. Sollte er jemals das Potenzial besessen haben, einer zu werden, so ist auch das verschwunden.
»Peter«, sagt Anne nochmal.
Aber er kann ihr nicht in die Augen sehen. Er ist kein Mann, er verdient keine Frau – und Anne ist eine Frau: eine schöne Frau -, aber er hat zerstört, was auch immer es gewesen sein mag, das sie beide zusammenhielt.
»Tut mir leid«, sagt Ron.
»Mir nicht«, sagt Anne. »Dir war es doch egal, bis Bettie dich abgewiesen hat.«
»Es tut mir leid«, wiederholt Ron. »Der Spaß ist schon seit einiger Zeit vorbei, und ich hätte nicht …«
»Könntest du mich und Anne bitte allein lassen?«
Peter sieht auf zu Ron, der inzwischen blutüberströmt ist, dessen Blut auf den Teppich tropft, Flecken auf dem Teppich hinterlässt – wer schert sich jetzt noch einen Scheißdreck um den Scheißteppich, Peter? -, und Ron nickt.
»Okay.«
»Danke«, sagt Peter.
Ron geht zur Tür und sieht sich nach Peter und Anne um. Und etwas wie Mitleid liegt in seinem Blick, als er
Anne betrachtet. Peter spürt von neuem kalte Wut in sich aufsteigen – dieser elende Mistkerl -, aber dann ist der andere auch schon zur Tür hinaus und zieht sie leise hinter sich zu.
Peter sieht seine Frau an, sieht ihr in die Augen. Die blicken traurig und gequält und zornig zugleich. Wie soll er ihr je verständlich machen, dass alles pure Idiotie seinerseits war und er das sehr wohl weiß – dass es viel damit zu tun hatte, etwas besitzen zu wollen, was Ron gehörte, einem Mann, der alles verkörpert, was er selbst nicht zu sein glaubt? Dass er bis jetzt gar nicht gewusst hat, dass es darum gegangen ist. Wie kann er ihr sagen, dass alles deswegen geschehen ist, weil er schwach ist und weibisch und kleine Hände und schmale Handgelenke hat? Dass er nur ein einziges Mal einem dieser Kerle etwas wegnehmen wollte, die ihm sein Leben lang die Würde genommen haben, diese Kerle mit ihren ätzenden Bemerkungen, mit ihrer Herablassung, mit der Art, wie sie versuchten, ihn übers Ohr zu hauen, wenn er den Wagen in die Werkstatt brachte oder einen Klempner rufen musste, denn sie wussten ja, dass er nicht genügend von diesen Dingen
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