Ein Akt der Gewalt
Stoß, der es außer Reichweite befördert. Sie reckt sich, um es zu erreichen, aber jetzt ist es weg. Es scheint weg zu sein, aber es kann doch nicht einfach verschwinden. Es ist hier.
Wohin ist es gerutscht?
Wohin könnte es denn gerutscht sein?
Vor einer Sekunde war es doch noch da.
»O Gott, du geiles Miststück«, sagt der Mann, der auf ihr liegt, und sie spürt, wie er langsam zum Höhepunkt kommt, und sie hat furchtbare Schmerzen da unten. Er zerreißt ihr alles.
Sie öffnet die Augen, und sein Gesicht ist nur Zentimeter entfernt. Der Schweiß sammelt sich darauf und tropft herunter, und seine Augen sind blutunterlaufen und kalt und abscheulich.
Und jetzt sieht sie aus dem Augenwinkel das Messer. Der Mann hält es in der Hand, hat es vom Erdboden gegriffen. Er hat es aufgehoben und hält es in der Hand. Sie kann es aus dem Augenwinkel sehen.
Sie spürt, wie der Mann in ihr krampft, und sie möchte sich übergeben – es macht sie innerlich krank; es gibt ihr das Gefühl, ihre Eingeweide seien verfault, er habe sie mit Fäulnis infiziert -, und wenn sie dies alles je überstehen sollte, wird sie ihr Inneres mit Bleiche ausbürsten, mit heißem Wasser und Bleiche, bis sie sich wieder sauber fühlt, wenn das überhaupt je möglich sein kann.
»Du Fotze«, sagt er.
Er stößt in sie und stemmt den Oberkörper in die Höhe.
Er krampft abermals und sticht ihr die Klinge in die Brust, und sie hört ein Knacken – es knackt, als das Messer das Brustbein durchbricht -, und der Schmerz explodiert, und ihr Oberkörper steht in hellen Flammen, und das Feuer breitet sich aus über alle anderen Körperteile. Sie schreit, aber der Schrei bleibt stumm. Sie kann nicht einmal mehr laut hinausschreien, aber der Klang füllt ihr den Kopf, den gepeinigten Kopf, in dem er wie ein vielfaches Echo widerhallt.
Und wenn sie zum Himmel sieht, zu den Wolken, die sich dort zusammenballen, wenn sie zum Himmel schaut und
zu Gott, um »Warum?« zu fragen, erblickt sie doch vor sich nichts als die blutunterlaufenen Augen. Die Augen des Mannes mit dem Messer. Sie weiten sich, als sie hineinsieht, diese Augen, und dann sind sie plötzlich nicht mehr kalt. Sie werden weit und weich und scheinen angstvoll zu flehen.
»Ich bin … oh, mein Gott«, sagt der Mann.
Das sagt er und fällt weg von ihr. Er rappelt sich auf und blickt mit weiten, furchtbar verängstigten Augen auf sie hinunter.
»Oh, mein Gott«, sagt er nochmal.
Er wischt sich die Augen.
»Es tut mir leid«, sagt er, und dann dreht er sich um und rennt davon.
Sie kann hören, wie sich seine schweren Schritte entfernen, wie die klobigen Bauarbeiterstiefel auf Beton treffen. Dann hört sie, dass sich eine Autotür knarrend öffnet und zugeschlagen wird. Sie hört das Rasseln, als der Motor anspringt. Sie sieht aus dem Augenwinkel, wie das Scheinwerferlicht über die Eichen flutet, die vor den Hobart Apartments stehen. Sie hört, wie das Auto davonfährt, und die Lichtflut der Scheinwerfer verebbt.
Kat hat das Gefühl, zu ertrinken.
Sie blickt auf ihre Brust und kann den Holzgriff des Küchenmessers erkennen, das aus ihr herausragt. Sie sieht, dass sich der Griff im Takt ihres Herzschlags bewegt, als besäße das Messer seinen eigenen Puls.
Wenn Gott sie unbedingt sterben lassen wollte, hätte er wenigstens dafür sorgen können, dass es schnell ginge, schnell und schmerzlos. Er hätte es nicht zu dieser Tortur machen müssen.
»Ich scheiß auf dich, Gott«, sagt sie zu den grauen Wolken, die sich über ihr zusammenballen. »Ich scheiß auf dich«, sagt sie. »Ich werde nicht sterben.«
36
Frank sitzt auf der Rückbank des Streifenwagens, die Hände mit Handschellen hinter dem Rücken gefesselt – so fest, dass die Blutzirkulation unterbrochen ist.
Seine Fingerspitzen werden allmählich taub. Blut tropft von der eiförmigen Beule auf seiner Stirn. Er sieht, dass mehrere Cops seinen Kofferraum durchwühlen. Inzwischen parken drei weitere Polizeiwagen am Straßenrand, und ein halbes Dutzend Cops, von denen die meisten anscheinend nichts Besseres zu tun haben, wandern ziellos umher wie verirrte Welpen.
Frank sieht, dass Kees zu einem von ihnen geht und etwas zu ihm sagt, aber er kann nicht hören, was gesprochen wird, und wahrscheinlich ist es auch egal. Der andere Cop nickt, und Kees dreht sich um, trottet zu seinem Streifenwagen, in dem Frank sitzt, öffnet die Tür auf der Fahrerseite und lässt sich auf seinen Sitz fallen.
Er zieht die Tür hinter sich zu und
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