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Ein Akt der Gewalt

Ein Akt der Gewalt

Titel: Ein Akt der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryan David Jahn
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zu töten, die mir nichts getan haben, und dabei vielleicht selbst zu sterben. Ich bekomme Angst, wenn ich daran denke. Aber wenn ich nicht gehe …« Wenn er nicht geht, dann deswegen, weil seine Mutter krank ist und er sich um sie kümmern muss, sich um sie kümmern muss, bis sie stirbt. Denn andernfalls muss er gehen. Es handelt sich nicht um die Bitte, zur Musterung zu erscheinen; er hat den Einberufungsbefehl bekommen. Entweder man erlaubt ihm zu bleiben, weil seine Mutter krank ist, oder er muss gehen. Die Alternative ist Gefängnis.
Aber er wird nicht aus einem kleinen Raum in den nächsten, noch kleineren wechseln. Er seufzt und schüttelt den Kopf. »Wenn du wirklich gehen möchtest, wenn du es ernst meinst, wenn du tatsächlich mit allem abgeschlossen hast – werde ich dir helfen. Aber ich werde auch bleiben, wenn du es möchtest und die Army es erlaubt.«
    Zwischen den Hautfalten um ihre Augen sieht Mom ihn lange und durchdringend an. Sie bewegt sich nicht, sieht ihn nur an. Er hat das Gefühl, dass sie ihn ansieht, um etwas herauszufinden, aber er hat keine Ahnung, was das sein könnte. Dann nickt sie.
    »Danke«, sagt sie.

43
    Vom Beifahrersitz blickt Frank durch die fleckige Scheibe, beißt immer wieder die Zähne zusammen und wünscht sich nichts mehr, als dieses Schwein endlich los zu sein.
    »Es war nicht persönlich gemeint«, durchbricht Kees das Schweigen.
    »Für Sie vielleicht nicht. Ich hab es aber verdammt persönlich genommen. Sie wollten mich ins Gefängnis bringen. Das hätte nicht nur mein Leben ruiniert, sondern auch das meiner Frau. Und, ob Sie’s glauben oder nicht – ich liebe meine Frau.«
    »Hab nur meine Pflicht getan.«
    »So ein Riesenquatsch.«
    »Sie können sich nicht vorstellen, was ich durchmache.«
    »Wie rührend! Vergießen wir doch alle eine Scheißträne für den mordlustigen Polizisten«, sagt Frank mit einem zornigen Lachen. »Ich weiß nicht, was Sie durchmachen? Das muss ich auch nicht wissen. Ich weiß, dass Sie versucht haben, einen Mann umzubringen, und dass Ihr Boss diesen Mordversuch gerade schwuppdiwupp mit dem Geld aus der Portokasse des Reviers aus der Welt geschafft hat. Ich weiß nicht, was Sie durchmachen? Sie Arschloch, Sie sind doch derjenige, der nicht in der Realität lebt. Sie tragen Blau, und das ist wie ein Schutzschild. Wir anderen, wir müssen nackt durch die Stadt laufen.«

    »Diese Uniform ist kein Schild«, sagt Alan kopfschüttelnd. »Sie ist eine Zielscheibe.«
    »Vielleicht ist aber nicht die Uniform die Zielscheibe, sondern Sie sind es. Ja, da bin ich verdammt sicher.«
    Frank atmet inzwischen angestrengt. Sein Kopf ist heiß, und die Hände hat er zu Fäusten geballt. Soweit er sich erinnern kann, war er noch nie so wütend. Er spürt, wie sich die Sehnen in seinen Armen spannen. Zum Zerreißen spannen. Ebenso wie die in seinem Hals. Und er spürt ein Pochen in den Schläfen. Er ist mehr als nur zornig auf den Cop, der neben ihm sitzt; er ist wütend auf die Welt, die jemanden wie ihn existieren lässt, die begünstigt, dass es einen wie ihn geben kann. Kein Wunder, dass er mit diesem höhnischen Second-Lieutenant-Grinsen im Gesicht umherlaufen und tun kann, was ihm verdammt nochmal passt – die Welt ist für Arschlöcher wie ihn geschaffen. Frank hat immer geglaubt, dass Leute wie so einer am Ende immer ihre Quittung bekommen, aber jetzt ist er nicht mehr davon überzeugt. Jetzt nicht und nie wieder. Er öffnet die Fäuste und ballt sie wieder. Er spürt Schmerz in den Knöcheln, seine Unterarme fühlen sich an wie unter Federspannung.
    »Wären Sie nicht in Uniform, würde ich Sie für das, was Sie mir antun wollten, durch den Fleischwolf drehen.«
    Als Frank diesen Satz ausspricht, lenkt Kees den Streifenwagen nach rechts, um am Straßenrand vor den Hobart Apartments zu halten.
    Er sieht Frank an und grinst.
    »Warum tun wir dann nicht einfach so, als hätte ich die Uniform nicht an, Frank?«
    »Weil ich mir auch nicht vormache, dass der Erdboden aus Marshmallows besteht und ich deshalb vom nächsten Dach springen kann. Ich bin nicht scharf darauf, dass mir
die Realität ein Bein stellt. Die Welt teilt schlimm genug aus, wenn man sie nimmt, wie sie ist.«
    Kees leckt sich die Lippen und wendet den Blick nicht von ihm.
    »Ich sag kein Wort, wenn du auch die Klappe hältst.«
    Frank weiß, dass der andere blufft, weiß es deswegen, weil er wieder dieses gottverdammte Second-Lieutenant-Grinsen aufgesetzt hat, das Frank während

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