Ein allzu schönes Mädchen
geborgen.»
Gessner hob beide Augenbrauen. Marthaler konnte nicht erkennen, ob seine Verwunderung echt war oder gespielt.
«Seine Leiche lag im Kofferraum jenes Fiat Spider, der noch immer auf Ihren Namen zugelassen ist. Wo waren Sie am Montag,
Herr Gessner?»
Für einen kurzen Moment verengten sich Gessners Augen. Zum ersten Mal merkte Marthaler, dass sich hinter der reglosen Fassade
tatsächlich ein sprungbereites Tier verbarg. Aber schon lächelte das Tier wieder. Gessner gab seinem Anwalt ein Zeichen.
«Hier», sagte Fleckhaus und zog ein Blatt Papier aus seinem Aktenkoffer. «Eine lückenlose Liste mit allen Aufenthaltsorten
meines Mandanten von Samstagmorgen bis Dienstagabend. Das dürfte wohl genügen. Daneben finden Sie die Namen sämtlicher Personen,
die das bezeugen können. Mit Adressen und Telefonnummern.»
Einen Moment lang war Marthaler verunsichert.
«Wir werden das überpüfen», sagte er.
«Tun Sie das!» Das Speckgesicht von Dr. Fleckhaus glänzte. «Dann können wir ja wohl jetzt gehen.»
«Oh, Herr Gessner», sagte Marthaler und schaltete das Tonbandgerät aus, «das hätte ich fast vergessen. Gegen Sie liegt ein
Haftbefehl vor. Im Vorzimmer warten zwei Beamte auf Sie, die Sie festnehmen und bis auf weiteres in Untersuchungshaft bringen
werden.»
|232| Obwohl er überzeugt war, dass Jörg Gessner nichts mit den Morden zu tun hatte, erfüllte es ihn mit Genugtuung, diesen Mann
wenigstens für kurze Zeit hinter Gittern zu wissen. Noch als er sein Büro bereits verlassen und sich auf den Weg zur Kantine
gemacht hatte, hörte Marthaler hinter sich das lautstarke Gezeter von Gessners Anwalt. Marthaler lächelte. Solange die Schurken
protestieren, dachte er, ist noch nicht alles verloren.
Es war noch früh. In der Kantine hatte man gerade begonnen, die ersten Mittagessen auszugeben. Wie immer überlegte Marthaler,
ob er sich für das fettarme, vegetarische Essen entscheiden solle, bestellte dann aber doch eine Portion Schweinebraten mit
Knödeln und Salat. Schließlich hatte er seit dem Vorabend nichts gegessen. Er nahm sein Tablett, zahlte, wechselte ein paar
Worte mit der Kassiererin und steuerte dann auf einen der freien Tische am Fenster zu.
Kaum hatte er die ersten Bissen heruntergeschluckt, als er Walter Schilling hereinkommen sah, der sich umblickte und dann
winkend auf ihn zukam.
«Robert, gut dass ich dich treffe. Wenn es dir recht ist, hole ich rasch mein Essen und leiste dir Gesellschaft. Es gibt eine
Neuigkeit, die dich interessieren dürfte.»
Marthaler war froh, dass der Chef der Spurensicherung ihm seinen Wutausbruch wegen der Geschichte mit dem Laboranten offensichtlich
verziehen hatte. Schilling war ein äußerst zuverlässiger und fähiger Polizist, und Marthaler hätte es bedauert, wenn dieser
Vorfall ihre Zusammenarbeit beeinträchtigt hätte.
«Ich habe schon versucht, dich zu erreichen. Elvira sagte mir, dass du essen gegangen bist.» Schilling stellte sein Tablett
auf den Tisch und setzte sich auf den Platz gegenüber.
«Was gibt es?», fragte Marthaler.
|233| «Heute Morgen haben mich die Kollegen vom Einbruchsdezernat zu einer Villa auf dem Lerchesberg gerufen», begann Schilling
zu erzählen. «Es handelt sich um das Haus einer Familie Brandstätter. Sie sind am frühen Morgen aus dem Urlaub zurückgekommen
und haben entdeckt, dass während ihrer Abwesenheit bei ihnen eingebrochen wurde. Außer ein paar Kleidungsstücken und einem
kleinen Geldbetrag ist wohl nichts gestohlen worden. Die Sache wäre nicht weiter wichtig, wenn wir nicht gewisse Spuren gefunden
hätten.»
Marthaler merkte, dass er ungeduldig wurde. Aber er wollte Schilling nicht drängen.
«Was für Spuren?», fragte er nur.
«Der Einbrecher, oder ich sollte besser sagen: die Einbrecherin, ist über eine Dachluke eingestiegen. Sie hat Fußabdrücke
auf dem weißen Putz der Garagenwand hinterlassen. Dabei handelt es sich eindeutig um die Sohle eines Sportschuhs.»
Marthalers Kopfhaut begann zu kribbeln. Ein sicheres Zeichen dafür, dass seine Aufmerksamkeit nicht größer sein konnte. «Und
du meinst, es handelt sich um dieselben Schuhe, deren Spuren ihr auf der Zufahrt im Wald gefunden habt?»
Schilling nickte. «Daran besteht kein Zweifel. Ich habe die Profile sofort verglichen. Sie sind identisch.»
«Und warum bist du dir plötzlich so sicher, dass die Schuhe von einer Frau getragen wurden? Wir haben doch immer gesagt, dass
es sich
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