Ein allzu schönes Mädchen
auch um einen kleinen Mann handeln könnte, jedenfalls um einen Mann mit kleinen Füßen.»
«Bei den Sachen, die aus der Villa der Brandstätters gestohlen wurden, handelt es sich ausschließlich um Frauenkleidung. Außerdem
haben wir noch etwas anderes entdeckt. Unter dem Ehebett befand sich ein Bündel völlig verschmutzter Anziehsachen. Auch sie
stammen eindeutig von einer Frau, aber nicht von der Hausbesitzerin.»
|234| «Sabato muss diese Kleidungsstücke sofort untersuchen.»
«Er ist schon dabei», erwiderte Schilling.
«Habt ihr sonst noch etwas entdeckt?», fragte Marthaler.
«Die Einbrecherin hat offensichtlich Hunger gehabt. Sie hat auf dem Dachboden ein ganzes Glas mit eingemachten Birnen gegessen.
Und sie hat ein Bad genommen. Als wir hinkamen, war die Wanne noch mit Wasser gefüllt.»
«Weißt du, wann sie sich in dem Haus aufgehalten hat?»
«Nein», sagte Schilling. «Wenn du mehr wissen willst, solltest du dich an die Kollegen vom Einbruchsdezernat wenden.»
«Das werde ich tun. Aber vorher möchte ich von dir wissen, was du von der Sache hältst.»
«Was meinst du?», fragte Schilling.
«Findest du es nicht auch merkwürdig, dass jemand sich die Mühe macht, in ein Haus einzubrechen, und dann praktisch nichts
stiehlt?»
«Vielleicht hat sie nur nach einem Platz gesucht, wo sie etwas essen, wo sie ein Bad nehmen und sich umziehen kann. Vielleicht
heißt das sogar, dass sie hier fremd war, dass sie niemanden kannte, zu dem sie hätte gehen können.»
Marthaler nickte. Das waren genau die Gedanken, die er auch gehabt hatte.
«Du denkst, dass es sich bei unserer Einbrecherin um die Frau handelt, die mit den Männern in dem Sportwagen gesehen wurde?»,
fragte Schilling.
«Ich wüsste nicht, was ich sonst denken soll. Wenn wir nur jemanden hätten, der sie näher beschreiben könnte. Wir müssen wissen,
wie sie aussieht. Wir müssen herausfinden, wer sie ist.»
Marthaler stand gedankenverloren auf. Ohne sich von Schilling zu verabschieden, nahm er sein Tablett, stellte es auf einen
der Wagen und verließ die Kantine.
|235| Er ging sofort bei den Kollegen des Einbruchsdezernates vorbei und hatte Glück. Heinrich Michaelis, der den Fall bearbeitete
und den Marthaler seit vielen Jahren kannte, war gerade dabei, seinen Bericht zu schreiben.
«Die Leute werden die kaputte Dachluke verschmerzen», sagte Michaelis. «Wie es aussieht, haben sie reichlich Geld. Und bestimmt
sind sie gut versichert. Warum interessiert dich das Ganze?»
Marthaler berichtete ihm von seinem Gespräch, das er gerade mit Schilling geführt hatte.
«Wir müssen die Frau finden», sagte er. «Es ist mehr als wahrscheinlich, dass sie etwas mit den Morden zu tun hat. Was genau,
weiß ich nicht. Es ist auch sehr wohl möglich, dass sie sich in Gefahr befindet. Habt ihr irgendetwas herausbekommen, das
uns weiterhilft bei der Frage, wann sie den Einbruch in das Haus verübt hat und wie lange sie sich dort aufgehalten hat?»
Michaelis überlegte einen Moment. Dann begann er in seinen Unterlagen zu blättern.
«Hier», sagte er, als er gefunden hatte, was er suchte. «Die Villa der Brandstätters wurde von einem Wachunternehmen namens
Kelster-Sekuritas betreut. Ich habe bereits mit der Firma telefoniert. Die letzte Kontrolle des Hauses hat am 8. August stattgefunden. Der zuständige Wachmann hat auf seinem Protokollzettel vermerkt, dass alles in Ordnung sei. Seinen Eintrag
hat er um 9.46 Uhr abgezeichnet.»
«Das heißt?», fragte Marthaler
«Das heißt, dass der Einbruch nach diesem Zeitpunkt stattgefunden haben muss.»
«Der 8. August war der Dienstag. Das war der Tag, an dem wir Bernd Funkes Leiche im Wald gefunden haben.»
«Wie lange sich die Einbrecherin allerdings im Haus aufgehalten hat, können wir nicht sagen.»
|236| «Kommt es häufiger vor, dass jemand in ein Haus einbricht, dann aber so gut wie nichts stiehlt?», wollte Marthaler wissen.
«Sagen wir mal so: Es ist eher selten. Gelegentlich sucht jemand einen Unterschlupf, um sich auszuruhen. In diesen Fällen
werden dann aber eher Gartenhäuser aufgebrochen, oder ein Obdachloser verschafft sich Zugang zum Keller eines Rohbaus oder
eines leer stehenden Hauses.»
«Ist dir sonst noch etwas Ungewöhnliches aufgefallen?»
«Ich würde sagen, alles an diesem Fall ist ungewöhnlich», antwortete Michaelis. «Der Schmuck, der sich im Schlafzimmerschrank
befand, den die Frau ja durchsucht hat, wurde nicht
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