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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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angerührt. Stattdessen lagen im Wohnzimmer Fotos der Familie herum, die
     offenbar das Interesse der Einbrecherin gefunden haben. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Tat verübt wurde, während
     es draußen hell war.»
    «Wie kommst du darauf?»
    «Der große elektrisch betriebene Rolladen im Salon wurde geöffnet. Nachts würde das wohl niemand tun. Aber auch am Tag ist
     ein solches Verhalten mehr als ungewöhnlich. Normalerweise sind Einbrecher bestrebt, sich vor Blicken von außen zu schützen.»
    Marthaler versuchte den Schlussfolgerungen seines Kollegen zu folgen. «Du meinst, es war der Frau egal, ob sie entdeckt wurde?»
    «Jedenfalls schien sie nichts zu befürchten.»
    «Danke», sagte Marthaler, «du hast mir sehr geholfen. Ich muss über all das erst einmal nachdenken. Wenn ich noch Fragen habe,
     melde ich mich wieder bei dir.»
    Gerade als er sich verabschieden wollte, klingelte das Telefon von Michaelis. Marthaler stand auf und ging zur Tür. Als er
     die Hand zum Gruß hob, schüttelte Michaelis den Kopf und winkte ihn zurück. Marthaler wartete, bis Michaelis den Hörer aufgelegt
     hatte.
    |237| «Das ist merkwürdig», sagte er.
    «Was?», fragte Marthaler.
    «Das war der Sohn der Familie Brandstätter. Er sagte, er habe eben seinen Computer angeschaltet und festgestellt, dass dieser
     während seiner Abwesenheit benutzt worden ist.»
    «Warum nicht? Wenn die Einbrecherin sich für die Fotos der Familie interessiert hat, kann sie sich auch für den Computer interessiert
     haben.»
    «Ja. Seltsam ist nur, dass der Computer am 8.   August um 8.56   Uhr eingeschaltet wurde, also zirka eine Stunde bevor der Wachmann das Haus kontrolliert hat. Das heißt, dass die Frau sich
     zu diesem Zeitpunkt schon in der Villa befunden hat.»
    «Ich möchte diesen Wachmann sprechen.»
    «Das dürfte schwierig werden», sagte Michaelis. «Wenn ich die Sekretärin der Kelster-Sekuritas richtig verstanden habe, hat
     er gerade eine Kur angetreten.»
    «Das ist mir egal. Bitte gib mir die Adresse der Firma.»
    «Und was versprichst du dir davon?»
    «Ganz einfach», sagte Marthaler. «Entweder hat der Wachmann die Frau nicht bemerkt und deshalb irrtümlich auf seinem Zettel
     angegeben, dass in dem Haus alles in Ordnung war, oder er hat gelogen.»
    «Warum sollte er lügen?»
    «Ich weiß es nicht. Aber ich will ihn sprechen.»

|238| Sechsundzwanzig
    Als er wieder in seinem Büro war, wählte Marthaler unverzüglich die Nummer der Kelster-Sekuritas. Es dauerte lange, bis sich
     jemand meldete. Die Sekretärin, die das Gespräch schließlich annahm, schien nicht eben erfreut über seinen Anruf zu sein.
     Ihre Stimme klang, als habe man sie bei einer Tätigkeit gestört, die ihr weitaus wichtiger war als ein Telefonat mit der Polizei.
    «Wir haben Ihren Kollegen bereits alles Nötige mitgeteilt», sagte sie.
    «Nein», sagte Marthaler, «das haben Sie nicht. Ich möchte den Namen und den Aufenthaltsort des Wachmannes wissen, der die
     Villa der Brandstätters kontrolliert hat. Ich weiß, dass er sich in Kur befindet. Aber ich möchte wissen, wie der Ort heißt,
     an dem sich dieser Mitarbeiter im Moment aufhält, und ich brauche den Namen der Klinik.»
    «Tut mir Leid», sagte sie. «Darüber dürfen wir keine Auskunft geben.»
    «Dann geben Sie mir bitte den Geschäftsführer.»
    «Der ist leider verreist.»
    Wütend legte Marthaler den Hörer auf. Er hatte sowieso keine hohe Meinung von den privaten Sicherheitsunternehmen, die in
     den letzten Jahren immer zahlreicher wurden. Er war der Ansicht, dass es allein Aufgabe der Polizei sein sollte, die Bürger
     zu schützen. Denn allzu oft stellten diese Unternehmen Leute ein, die nur unzureichend qualifiziert waren und sich dann im
     Konfliktfall falsch verhielten.
    Marthaler zog sein Jackett an, steckte den Zettel mit der Adresse der Kelster-Sekuritas ein und sagte Elvira Bescheid, |239| dass er für eine Weile außer Haus sei. Dann verließ er das Präsidium. Er brauchte keine zehn Minuten, bis er im Gutleutviertel
     angekommen war. Das Wachunternehmen war im Hinterhof eines Grundstücks untergebracht, auf dem sich eine ehemalige Fabrik befand,
     deren Räumlichkeiten jetzt an verschiedene kleine Firmen vermietet waren. Der Flachbau machte einen verwahrlosten Eindruck.
     Die Außenwände waren verwittert, und die Fenster sahen aus, als seien sie seit langem nicht mehr geputzt worden. Marthaler
     drückte auf den Klingelknopf, aber nichts geschah. Er versuchte es

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