Ein Alptraum für Dollar
aufgeteilt. Hinter der Mauer piepsen die zwei reizenden alten Damen:
»Hoffentlich läßt ihm Juliette nicht das Eßzimmer... dort ist das schönste Fenster der Wohnung!«
»Die werden uns eiskalt erfrieren lassen. Der kriegt bestimmt alle guten Heizkörper, die neuen!«
»Das wird vielleicht ein Zirkus! 20 Meter von der Küche bis zum Salon! Die denken überhaupt nicht daran, daß wir nicht mehr so jung sind! Aber denen ist das ja egal!« Das Abenteuer war zu Ende, und Monsieur Dumesnil hatte gewonnen. Jetzt konnte er wieder fröhlich und stolz durch die Nachbarschaft Spazierengehen, hoch erhobenen Hauptes. Man respektierte und beglückwünschte ihn sogar.
Da oben saßen drei Frauen und trauerten dem verlorenen Paradies nach.
Aber leider, leider war Monsieur Dumesnil ein viel zu gutmütiger Abenteurer. Eines Tages, als die neue genehmigte Trennwand endlich stand, kam der Maurermeister wieder. Nur um eine Tür, eine ganz kleine Tür hineinzubrechen.
Und wie jeder weiß, kann jede Tür je nach Lust und Laune — geschlossen bleiben... oder geöffnet werden!
Dunkle Sternstunde der Menschheit
17. Januar 1912 — fünf Männer, fünf Engländer haben gerade den Punkt erreicht, wo alles endet oder wo alles beginnt, wie man’s nimmt. Es ist nur eine Frage des geographischen oder persönlichen Standpunktes. Geographischer Standpunkt: 90 Grad Südlicher Breite. Wir sind am Pol — am südlichsten Punkt unserer Erde. Weiter geht es nicht. Jeder Schritt darüber hinaus wäre purer Unsinn, führte in ein endloses — wenn auch begrenztes Nichts. Persönlicher Standpunkt:
»Der Pol... großer Gott! Dies ist ein schauriger Platz. Schrecklich genug, daß wir uns hierher gequält haben, ohne den Lohn, die Ersten zu sein. Das wird ein zermürbender Rückmarsch werden!«
Als Robert Falcon Scott diese Worte in sein Tagebuch schreibt, weiß er noch nicht, daß die Rückreise 79 Grad und 38 Minuten vom Pol entfernt enden wird. Das heißt, er kennt den Endpunkt noch nicht genau, aber er weiß, daß es ihn gibt und beginnt eine fabelhafte Legende für die Nachwelt zu weben. Bis jetzt hatte er nur Fehler, irrsinnige Fehler gemacht — jetzt aber fängt er zu spinnen an: Faden um Faden — zu einem verstrickten Gewebe —, bis ein Heldenepos daraus wird. Er hat die Wette verloren, ja — aber die Ehre Englands kann er noch retten!
Bis vor einigen Jahren verkörperte Scott den Inbegriff des selbstlosen, sich selbst aufopfernden Helden, der mit nobler Gelassenheit stirbt, um der Welt zu zeigen, wozu ein Engländer fähig ist, wenn es zum Schlimmsten kommt. Die letzte Eintragung in seinem Tagebuch müssen die englischen Schulkinder heute noch auswendig lernen:
»Ich bereue diese Reise nicht. Sie hat gezeigt, daß Engländer immer noch wie eh und je in der Vergangenheit mit ebenso großer Seelenstärke Härte ertragen, einander beistehen und den Tod auf sich nehmen.«
London — 1908: Der umjubelte Kapitän zur See der Royal Navy — Robert Falcon Scott — heiratet eine der schönsten Blüten der britischen Gesellschaft — Kathleen Bruce. Die junge Frau ist eine äußerst exaltierte Person. Sie schwärmt für die romantischen und tragischen Gestalten von Goethe und Wagner. Sie steigert sich so sehr in ihre halbwahnsinnige Traumwelt hinein, daß sie bald Wirklichkeit und Wunschvorstellung nicht mehr auseinanderhält. Dennoch steht sie mit beiden Füßen auf dem Boden und weiß genau, was sie will: Captain Scott heiraten zum Beispiel. Nicht aus Liebe hat sie sich gerade diesen Mann ausgesucht, sondern aus purer Berechnung. Er soll ganz einfach ihren Bedarf an Heldentaten decken.
Schon einige Woche nach der Hochzeit schreibt sie ihm: »Oh dear, welchen Sinn hat es, Energie und Tatkraft zu besitzen, wenn eine solche Kleinigkeit nicht zu schaffen ist? Sie muß zu schaffen sein!«
Eine Kleinigkeit fürwahr! Kathleen möchte nur eines: Ihr Mann sollte endlich lossegeln, um als Erster den Südpol zu erreichen! Eine kleine Reise, die eben höchstens zwei Jahre dauern würde.
Um diese Zeit ist Robert Falcon Scott noch der am meisten gefeierte Mann ganz Englands. Und England damals, ja, das war noch ein sehr großes, stolzes Imperium! Allerdings beginnt es an Dekadenzängsten zu leiden. Den Burenkrieg in Südafrika hat die britische Armee zwar 1902 gewonnen, aber es war kein Ruhmesblatt für Seine Majestät. Nicht nur das Inland, auch das Ausland verurteilte schärfstens das brutale Blutbad, das Abbrennen der kleinen Farmen
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