Ein Alptraum für Dollar
seinem Auto zu:
»Nun bist du schön artig, nicht wahr?«
Und tatsächlich, der mattblaue »Torpedo« scheint vernünftig geworden zu sein und benimmt sich von nun an ganz unauffällig. Tiber Hirschfield ist stolz, diese Bestie mit seinem Trick gezähmt zu haben. Und nicht weniger stolz darauf, mit einem solchen Juwel durch die Gegend zu fahren.
Am 26. Mai 1930 steigen sechs Personen in den blauen »Torpedo«: Hirschfield und seine Frau, seine Schwester und sein Schwager und ein befreundetes Ehepaar.
Sie sind auf dem Weg zur Hochzeit eines Vetters. Während der Fahrt wendet sich Tiber lächelnd zu seiner Frau:
»Bist du glücklich Mina?«
»Schon... es ist wunderschön, aber du weißt ja, ich habe immer ein komisches Gefühl, wenn ich in diesem Wagen sitze...«
»Aber Mina! Wir fahren nun schon seit vier Jahren damit, und es ist gar nichts passiert!«
»Na und? Das letzte Mal hat er sich fünf Jahre lang Zeit gelassen, bevor er wieder zuschlug.
Tiber! Tiber, Paß doch auf! Du willst doch nicht etwa jetzt überholen?«
»Und wie ich überholen werde! Haltet euch fest!«
Der Fahrer des überholten Wagens erklärte später den Gendarmen:
»Ich fuhr nicht schnell. Der blaue Wagen raste hinter mir. Dann überholte er mich, aber ganz korrekt! Da machte der Wagen plötzlich einen seitlichen Sprung und stieß an meinen Kotflügel. Dann überschlug er sich. Ich konnte nichts tun, es ging alles so schnell! Alle Insassen wurden so zerquetscht, daß jede Hilfe zu spät kam. ..«
Haben Sie mitgezählt? Jetzt sind es bereits siebzehn Opfer!
Dieses Mal kam der Unfallwagen allerdings nicht nur mit einem Kratzer davon. Er wurde endlich schwer beschädigt! Die mattblaue Farbe blätterte zum großen Teil ab, und der ursprüngliche Lack glänzte wieder in alter Pracht: das Blutrot von Sarajewo.
Immerhin endet damit das rästelhafte Blutbad. Die österreichische Regierung selbst hat sich der Sache angenommen, und das restaurierte Automobil wurde als historisches Stück dem Wiener Armeemuseum übergeben.
Über Jahre hin betrachten die Besucher das nunmehr ungefährliche Monstrum mit gemischten Gefühlen. Und niemand wagt sich zu nahe heran.
Das unglaubliche Schicksal des »Torpedo« ist jedoch noch nicht zu Ende! Es kommt noch der letzte Akt — der letzte Paukenschlag!
8. April 1943: Die ganze Nacht hindurch wird Wien von den Alliierten bombardiert. Die Stadt brennt. Auch das Armeemuseum.
Am nächsten Tag schlendert der Konservator durch die rauchenden Trümmer. Überall Schutt und verbrannte Reste von kostbaren Sammlungsstücken: von Rüstungen, Kanonen, Fahnen und Waffen aller Art.
Nur auf der Stelle, wo der »Torpedo« ausgestellt war, ist nichts, aber auch gar nichts zu sehen! Nicht ein Stückchen vom Motor, nicht der kleinste Teil der Karosserie. Es ist so, als hätte sich das »Ding« verflüchtigt!
Sein unglaubliches Abenteuer, das direkt mit dem Ersten Weltkrieg begonnen hatte, endet mitten im Zweiten Weltkrieg. Als ob sich der blutrote Torpedo von Sarajewo für sein Erscheinen und für sein Verschwinden eine blutige Zeit ausgesucht hätte.
War alles nur Zufall? Nicht einmal die Geschichte wird es uns jemals sagen können!
Wirklich nicht? Die GESCHICHTE vielleicht nicht, aber Dr. Erich Gabriel schon. Auch ein Opfer des »Torpedo«? Ja, aber ein fröhliches Opfer, das seit Jahren herzlich über diese Geschichte lacht! Seit 1961 genau — als er sie zum ersten Mal hörte. Sie müssen wissen, Dr. Gabriel ist Leiter der technischen Abteilung des heutigen »Heeresgeschichtlichen Museums« in Wien und dies seit etwa 25 Jahren. Wohl niemand auf der Welt kennt das Schicksal des blaublütigen Gefährts von Sarajewo besser als er. Mit Liebe pflegt er diesen Wagen... heute noch! Er steht nämlich seit dem 7. September 1914 in dem Wiener Museum und er ist auch niemals rot gewesen.
Die ganze Geschichte wurde 1961 von einem sehr cleveren Motorjournalisten aus Amerika erfunden, und mit dem »Reader’s Digest« ging sie um die ganze Welt. Sie wurde in unzählige Sprachen übersetzt, es gab sogar Filme darüber. Alle, seien es die Journalisten, die Autoren und auch die Menschen, die sie gelesen haben, wollten, daß sie wahr ist! Dementis von Dr. Gabriel halfen gar nichts! Ist das nicht die eigentliche unglaubliche Geschichte? Sollten Sie mehr darüber erfahren wollen, dann freut sich Dr. Gabriel auf Ihren Anruf: Wien »Heeresgeschichtliches Museum«: 782303!
Irren ist menschlich
Laufen wir durch die Straßen
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