Ein Alptraum für Dollar
Urlaubsschein für den Soldaten. Ein Sanitätsflugzeug des Roten Kreuzes bringt den jungen Mann nach Genf, wo er um 22 Uhr die letzte Maschine nach Marseille noch erwischt, um 23 Uhr 20 sitzt er dort in einem Taxi. Zehn Minuten später betritt er das Krankenhaus, wo der Vater auf ihn wartet. Als der Soldat endlich in dem weißen Zimmer steht, drückt ihm der Pfleger die Hand und geht.
Der Sohn zögert einen Augenblick — dann kommt er näher an das Bett. Der verschwommene Blick des Sterbenden fällt auf die Gestalt in Uniform, die vor ihm steht — seine Züge entspannen sich, er lächelt fast und bewegt seine Hand.
Der junge Mann setzt sich, umschließt die gebrechlichen Finger mit seiner kräftigen Hand und bleibt ganz ruhig, ohne zu sprechen, bei dem alten Vater.
Langsam, sehr langsam verstreichen die Stunden. Ein paar Mal versucht der Alte etwas zu sagen, aber er kann nur noch »Jean« flüstern, den Rest drückt er mit seiner Hand aus, die der Soldat nicht mehr losläßt.
Und der Soldat wacht. Der Sohn wacht.
Ab und zu kommt ein Pfleger herein, schaut sich die Geräte an, überprüft den Tropf, dann geht er gequält lächelnd auf Zehenspitzen wieder hinaus. Der alte Mann leidet jetzt nicht mehr. Man erleichtert ihm das Ende. Gegen 5 Uhr morgens am 20. Oktober 1962 atmet der Kranke nicht mehr. Eine Schwester kommt, dreht an einem Knopf und schaltet die Apparatur ab. Es ist vorüber.
Der Soldat löst sanft seine Hand aus der des Alten, schaut den Toten ein letztes Mal an und sagt der Schwester: »Jetzt sollte man seinen Sohn benachrichtigen.«
»Ja... aber...«
»Nein, Schwester, ich bin nicht sein Sohn. Ich habe diesen Mann nie vorher gesehen. Er war nicht mein
Vater. Sie müssen seine Angehörigen benachrichtigen... für die Formalitäten und so.«
»Ja aber... warum haben Sie es um Gottes Willen denn nicht gleich gesagt?!«
Fassungslos betrachtet die Schwester diesen großen Jungen, 22 Jahre alt, mit kurzgeschorenem Haar und ruhigen, müden Augen.
Er hat nichts gesagt. Als er in das Zimmer kam, hat er natürlich sofort gesehen, daß dieser Mann nicht sein Vater war, aber er hat auch gesehen, daß der Alte einen Sohn zum Sterben brauchte. Irgendeinen Sohn. Darum ist er geblieben.
Die Verwaltung hatte sich geirrt — er nicht.
Er hieß nicht Galin J. Sondern Valin J. Nicht Jean, sondern Jacques. Und seine Nummer begann mit einer Vier — nicht mit einer Fünf.
Unter den erstaunten Augen des Krankenhauspersonals ist der Soldat Jacques Valin gegangen.
Liebe hatte er gegeben — die Formalitäten betrafen ihn nicht.
Das Rätsel von Devonshire
7. Februar 1855. Seit dem frühen Morgen tobt der Sturm über Devonshire, einer Grafschaft im Südwesten Englands. Sturm ist nicht das richtige Wort, es ist ein Orkan, ein Tornado! Ein Ausbruch der Elemente, den noch niemand in der ganzen Gegend so erlebt hat.
Wie alle Leute haben sich die Matthews in ihrem Haus verbarrikadiert und warten nun auf das Ende dieser unglaublichen Entfesselung aller Naturkräfte.
Lester und Elisabeth Matthews sind recht wohlhabende Bauern. Sie betreiben Viehzucht in der weiteren Umgebung des Dorfes Blayford. Elisabeth ist damit beschäftigt, ihre zwei Kinder zu beruhigen: Jimmy, 12 Jahre alt, und Bobby, gerade 10 geworden. Aber zum Glück fürchten sich die Jungen nicht so sehr. Sie haben keine Angst um sich — sie machen sich vor allem Sorgen um ihren Hund Black, der verschwunden ist, seitdem der Sturm angefangen hat.
»Mummy, sag, was glaubst du denn, wo Black ist?«
»Keine Ahnung Bobby! Aber er hat sich bestimmt irgendwo verkrochen und wartet genauso wie wir, bis der Sturm vorbei ist.«
»Er kommt aber zurück, ja?«
»Sicher doch, mach dir keine Sorgen.«
Unterdessen geht Lester mit Hammer und Nägeln herum und überprüft, ob die Bretter, mit denen er Türe und Fenster verrammelt hat, auch wirklich festsitzen. Er klettert sogar die Leiter in der Zimmerecke hoch und steigt auf den Dachboden: Dort kracht es entsetzlich!
Es wird langsam Nacht, und der Sturm legt sich nicht. Ganz im Gegenteil — er tobt stärker und stärker. Das grünliche Licht der Petroleumlampe macht das Warten noch unheimlicher. Der Hof der Matthews steht vereinzelt auf einer Anhöhe und bietet dem Unwetter eine vorzügliche Angriffsfläche. Ab und zu erschüttert ein schwerer, dumpfer Stoß das ganze Gebäude. Ist es ein Ast oder sogar ein Baum, der vom Wirbelwind wie ein Streichholz weggefegt wird? Werden die Dachziegel halten? Wer
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