Ein anderes Leben
wird von Liebe zu dem kleinen Freund ergriffen, und beruhigt sich, wird aufs neue zu einer nicht galoppierenden Gewinnmaschine.
Die Rolle des Autors ist die des Kaninchens.
Die Nacht der Tribaden auf dem Broadway wird jetzt von einem neugierigen, aber skeptischen Markt intensiv beobachtet. Ein Kammerspiel, vier Personen, mit enormem Gewinnpotential, wenn es gut geht. Vielleicht ist das die Zukunft?
Der Druck wird auch im Inneren immer stärker spürbar. Jeder kleine Konflikt kann plötzlich zur Ejakulation einer sehr großen, fast unrettbaren Katastrophe führen. Dass Max von Sydow ein wunderbarer Mensch ist, nett und professionell und in jeder Hinsicht fantastisch, darin sind sich alle an der Produktion Beteiligten einig. Nur unbedeutende Einwände werden laut. Einmal, als Max nicht am Lunch im Sardi’s teilnimmt, diskutieren die weiblichen Mitglieder des Ensembles seine unerhörten Qualitäten, fangen aber plötzlich an, sich über seine fehlende sexuelle Ausstrahlung auf der Bühne zu mokieren. Das ist ja verdammt noch mal, als würde man seinen eigenen Vater küssen, wie soll man daraus Spannung schaffen?
Er protestiert empört in Max’ Abwesenheit, wird aber zum Schweigen gebracht und sieht ein, dass seine Autorität auf diesem Gebiet kaum Eindruck macht. Max nett und glänzend, aber auf der Bühne nicht sexuell attraktiv , das ist die Botschaft. Und abseits der Bühne? Das ist ohne Belang.
Er identifiziert sich problemlos mit Max. Diese Hölle, lieb zu sein. Der Fluch des Liebseins. Er erinnert sich plötzlich an die schrecklichen und misslungenen Samstagsgebete, wenn es galt, eine Sünde zu bekennen, erzählt davon aber nicht im Sardi’s. Max wäre von Maja Enquist nie akzeptiert worden, weil seine Sünden so gering waren. Um so größer ist aller Erstaunen, als der durch und durch gutmütige Max einen heftigen Konflikt verursacht: in einem groß aufgemachten Interview in der New York Times mit dem Titel ›Bergman-Star am Broadway‹ hat er die Frage gestellt Wo sind eigentlich am Broadway die guten Regisseure?
Michael Kahn liest natürlich das Interview, dreht völlig durch und geht an die Decke. Ruft Enquist an, wütet die halbe Nacht am Telefon und erklärt, so etwas lasse er sich nicht bieten. Kein Argument hilft, und am nächsten Morgen erscheint er nicht zur Probe. Alle sind aufgepeitscht von der Dramatik, Burry Fredrik beordert die Beteiligten zu einem Versöhnungsessen, die Agenten werden aktiv, um 13 Uhr werden die Todfeinde an einen Ecktisch für drei im Sardi’s geleitet, und nach einigen höflichen und unwahren Komplimenten kann er bezeugen, dass die Ruhe wiederhergestellt ist, dass nicht im geringsten die Absicht bestanden hat, Michael in abwertender Weise mit einem entfernten, sogenannten europäischen Regisseur, hab den Namen vergessen, vielleicht ein Schwede, vielleicht mit Namen Bergman? zu vergleichen. Ein Missverständnis. Zitierfehler. Auf die New York Times ist nicht immer Verlass.
Sie stoßen mit trockenem Martini an.
Viel später, als er selbst in die Rolle schlüpfte, sollte er die Empfindlichkeit der Regisseure besser verstehen lernen.
Es war ja verlockend, Regie zu führen, die Glaswand zwischen sich selbst und den geliebten Schauspielern zu entfernen. Die Einsamkeit am Schreibtisch konnte auf diese Weise weggetauscht werden. Vielleicht war es gar nicht so schwer, die Regiearbeit zu übernehmen? Die Angst oder Nervosität, die er gespürt hat, verschwindet nach dem ersten Mal; er selbst führt Regie in den Tribaden mit Ghita Nørby und Fritz Hellmuth in Kopenhagen, dann im Magischen Kreis und in Aus dem Leben der Regenwürmer im Fernsehtheater. Es ist vielleicht nicht so schwer? Hat er nicht die Zugführerausbildung vom I 20 , denkt er barsch, praktisch eine Gebirgsjägerausbildung, und ist es gewohnt, eine Truppe zu führen?
Er bekommt immer mehr Angebote, schließlich auch eins, in Den Kongelige Opera den Egmont zu inszenieren (er lehnt ab und erspart sich damit einen betonsicheren Skandal), macht aber statt dessen Bühnentheater. Auch Fräulein Julie im Avenyteater mit Kirsten Olesen und Ole Ernst.
Er genießt jede Sekunde. Alles ist vollendet, er meint mit seinen nahezu magischen Regieanweisungen das Stück zum ersten Mal zu gestalten, und betrachtet die Bühnenlösungen fast atemlos, als wäre er der erste und einzige Zuschauer und nicht der tausendste Regisseur. Die Schlussszene, in der es dem Todesengel Julie gelingt, die jungen Liebenden dazu zu verlocken, sie
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