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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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Tagebuch.
    Er stellt fest, dass wenn bei einer Inszenierung Probleme entstehen, die Konflikte gern am artikuliertesten Mitglied des Ensembles festgemacht werden, egal ob das Problem dort hingehört oder nicht. Die Eisenfeilspäne ziehen sich um eine Person zusammen.
    Tagebuch vom 29. 9.:
    Gestern. Komme am Nachmittag herein. Sie proben die Szene auf dem Bett. Bibis Gesicht panisch, schon als ich durch die Tür trete. Anscheinend ist etwas passiert. Hinterher, als die Schauspieler gegangen sind, erregte Kommentare. Michael und Susan einig, dass Bibi den ersten Akt versaut hat und den halben zweiten. Burry anwesend, findet den zweiten Akt gut, aber Bibi Problem.
    Am Abend ruft Burry an. Nervös. Hat mit Michael zu Abend gegessen. Was tun? Big problem.
    Vergaß übrigens zu sagen, dass Michael gegen Stühle trat. Sagte, dass er Bibi hasse. Morgen würde er Bergman sein.
    Dann: Burry – Michael – ich.
    Im Telefongespräch mit Burry: Wir sprachen ruhig über die Probleme. Burry ein bisschen betrunken, so was I. Verabredeten uns zum Frühstück um neun am nächsten Morgen.
    Heute: Burry Frühstück. Waren einig über die Strategie. Noch kein Wechsel. Burry wird sich zurückhalten. Big canon.
    Morgenprobe ohne Michael, unterrichtet an Theaterschule. In der Tür treffe ich Bibi. Sie fragt nach der Interpretation einer Wendung. Ich sagte: Kommt auf Zusammenhang an. Finde, sie soll Michael fragen, nicht mich. Bibi: Ich frage dich!!! Vielleicht, sage ich, liegt es daran, dass wir unterschiedliche Auffassungen von der Beziehung Siri – Strindberg haben. Bibi explodiert, tritt Stuhl um, wirft Kaffeetasse. Erregte Szene. Bibi will Agent anrufen. Michael anrufen. Bibi schließt sich im Klo ein, heult. Anruf bei Michael, er soll kommen. Bibi spricht mit Werner. Ich gehe. Rufe Burry an, sage, dass sie kommen soll. Sie beordert mich zurück. Alle im Flur versammelt, winken mir ironisch oder aufmunternd zu, weiß nicht, was von beidem. Treffen in Raum 4 Michael, Bibi und ich. Bibi wahnsinnig sauer. Wir fangen an zu sprechen. Dann bitte ich sie, den Brief zu lesen, den ich ihr am Abend zuvor geschrieben habe.
    Sie liest den Brief. Heulen und Zähneklappern. Langsam, langsam wendet die Situation sich wieder zum Besseren. Die ersten zehn Minuten werden durchgespielt. Fünfzehn. Der erste Akt. Es lebt. Es ist verdammt gut.
    Gehe hinauf ins Büro. Trinke ein Glas Wein im Howard Johnson. Wieder hoch zu Burry. Gestresste Diskussion über die Musik. Dann zur NYT . Sie wollen das Nachwort drucken, aber einzelne Wörter diskutieren. Besonders ›used‹. Feige, mache Rückzug. Wage nicht ›Kapitalismus‹ zu sagen.
    Zurück zu den Proben. Großartig. Sehe Bibi nachher nicht. Unerhörter Druck auf ihr. Sie will Sprach-Coach aus LA einfliegen lassen. Weint plötzlich wieder, Max Vatergestalt, tröstet.
    Nehme einen Drink mit Max und Werner.
    Am Abend Boxen.
    Ein normaler Arbeitstag?
    Eileen sehr ruhig, sie hat eine lange und strahlende Karrierre am National Theatre in London hinter sich und hat schon so gut wie alles erlebt. Aber eines Abends sagt sie ihm, dass sie verärgert ist. Sie fühlt sich ›unterinszeniert‹. Brave Mädchen bekommen keine Aufmerksamkeit.
    Das Verrückteste jedoch, wie stark er selbst sich einmischt . Oder gezwungen ist sich einzumischen. Kann nicht gescheit sein.
    Viele Jahre später, bei der Kopenhagener Inszenierung seines Stücks Magischer Kreis mit Fritz Helmuth in der Hauptrolle, erreicht ihn die Botschaft, dass alles den Bach runtergeht. Alle saufen, hassen sich und sind verzweifelt. Keiner kann den Text. Die Vorstellung muss eine Woche vor der Premiere abgesetzt werden, so die Botschaft. Er fährt hinunter, hockt eine Woche mit einem entzückten, beinahe enthusiastischen Lächeln auf den verzweifelten Lippen im Dunkel des Probenlokals. Aber kein Wort. Nur stummer, verwunderter Enthusiasmus. Alle werden nüchtern, reißen sich zusammen, die Premiere sehr gut.
    Er lernt dort eine andere Sicht der Funktion des Dramatikers während des Arbeitsprozesses.
    Es ist die Rolle des Kaninchens gegenüber dem Trabrennpferd.
    Ein Trabrennpferd ist nervös geworden, rastlos in seiner Box, fällt zur Zeit und Unzeit auf der Bahn in Galopp. Offenbar sind die Nerven in Unordnung. Man setzt ihm dann ein kleines weißes Kaninchen in die Box. Das neurotische Trabrennpferd ist zuerst verwirrt, aber das kleine Kaninchen hoppelt ruhig umher, frisst, schläft und ist vor allem vollkommen still und unberührt. Das Pferd schnüffelt,

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