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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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isoliert hatte, und ich wusste, dass Mama flennte, denn gerade wenn sie den Eispfropfen in der Krümmung mit der Kerze auftauen musste, wurde sie bestimmt von der Trauer überwältigt und dachte an meinen Vater, der viel zu früh aus dem Leben gerissen worden war und deshalb jetzt nicht mit der Kerze den Eispfropfen auf dem kalten Dachboden, wo der Hutzucker stand, wegtauen konnte. Ich war sicher, dass sie hierüber nachdachte, obwohl ihr gedämpftes Schluchzen nicht bis zu mir vordrang, aber ich fantasierte ja auf meine kindliche Art und Weise. Sie musste bestimmt an Papa denken, und dann behauptete sie, wenn ich fragte, dass es bei solcher Kälte ganz natürlich war zu flennen, und wenn nur Papa noch lebte! Sie hatte dort auf dem Dachboden sozusagen eine Pause zum Nachdenken und wurde überwältigt, konnte man sich vorstellen. Papa wurde bekehrt, bevor er starb und schrieb da, auf dem Sterbebett, Mitteilungen an mich. Per-Ola, werde Christ. Als er ein Motorrad mit Seitenwagen besaß, war er nicht bekehrt, erzählte mir ein Onkel im Vertrauen, und da war er lustiger als nach der Erweckung. Doch geriet er nie in den Alkohol, obwohl er als sehr lustig bezeichnet wurde und auf eigene Initiative ein gebrauchtes Motorrad mit Seitenwagen gekauft hatte, flüsterte dieser Onkel mir zu. Es war wichtig, dass Mama nichts hörte. Als er erweckt war, fiel es ihm möglicherweise leichter zu sterben. Deshalb schrieb er diese Mitteilungen an mich. Weg mit den Gedanken daran, wie ich sein Vermächtnis verwaltet habe!
    So geht der Text weiter. Immer über das Haus, Seite um Seite.
    Im übrigen hat er in dieser Erinnerungsskizze gedankenloserweise ein Haus vergessen, eine Garage unten am Weg. Auf diese Weise war das grüne Haus von zwei Häusern umgeben, die seinen Vater und ihn bewachten, das Bethaus und die Garage, in der ein Motorrad mit Seitenwagen untergestellt sein konnte, bevor er erweckt wurde. Kaufte er nicht auch, vielleicht zusammen mit seinen jüngeren Brüdern, einen Chevrolet, um gemeinsam mit den anderen Stauern aus dem Dorf jeden Morgen um sechs Uhr zum Hafen und zu den Schiffen nach Bureå zu fahren? Es gibt diesbezüglich weder ein Dementi noch eine Bestätigung. Zwölf Kilometer und sandig. Die Fahrräder hatten Ballonreifen. Warum verkaufte der Vater das Motorrad mit Seitenwagen und den gebrauchten Chevrolet?
    In seiner großen Not in diesen Jahren in der sehr großen Wohnung auf den Champs-Élysées 147, wenn der Junge in seiner Zelle ihn betrachtete und der Kater August ihn auf jede Weise mit Rat und Anweisungen in seiner bedrängten Lage unterstützte, fand er in dieser Beschreibung der Architektur des grünen Hauses immer beunruhigendere Einzelheiten über seinen Vater, seine Mutter, sich selbst und das Leben, das sie dort gelebt hatten, Einzelheiten, die Anweisungen gaben und das, was später geschehen sollte, ankündigten.

Er glaubte jetzt, sehr nahe zu sein.
    Im Keller stand ein großer viereckiger Koffer, der seiner Tante Elsa gehörte, die verlobt gewesen war. Es war zu Ende gegangen. Als es zu Ende gegangen war, hatte der Verlobte Sachen zurückgeschickt. Ungefähr wie eine Brautkiste, mit Bettlaken und Kopfkissen. Sie hatte im Keller gestanden, und man durfte sie nicht aufmachen. Es war gleichsam unheilverheißend. Und sie war fast vierzig geworden, zu alt eigentlich , hatte seine Mutter gesagt, was das nun bedeuten mochte. Aber es verhieß Unheil.
    Es gab vieles, was er nicht verstand, Signale von bösen Dingen, Zeichen, die etwas verhießen.
    Dann kam sie und holte die Kiste, und er war dabei, als sie sie öffnete, das war neben dem Heizkessel, links vom Kartoffelkeller, wo die Kartoffeln im Dunkeln aufbewahrt werden mussten.
    Da stand die Kiste.
    Wenn die Kartoffeln Keime bekamen, zeigte das, dass sie lebten, aber wenn die Keime weiter wuchsen, starb die Kartoffel. Es war komisch: Glaubte man, dass die Kartoffeln tot waren und nicht wuchsen, dann waren sie lebendig, wuchsen sie aber, dann gingen sie tot. Keiner konnte ihm etwas über diese Sache mit Leben und Tod erklären, aber immer war davon die Rede. Stockdunkel sollte es sein, sonst starb es.
    Wenn es nun wirklich so war. Wenn es nun wirklich so war.
    Als Tante Elsa den Koffer öffnete, war er dabei, und zuoberst lag ein Brief, und sie las ihn, und dann schnaubte sie gleichsam empört und sagte laut: ›Und das muss der sagen!‹ und mehr erfuhr er nie.
    So war es mit allem.
    Auf der Vorderseite des grünen Hauses wuchs die Eberesche, die sein

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