Ein anderes Leben
das richtige Wort, Freunde, die zu Besuch kamen, hießen Fremde –, die sich einschmeicheln und aufspielen und Wasser holen wollten, damit der Kleine es nicht zu tun braucht .
Sie versuchten immer, die Frösche mit dem Eimer herauszuschöpfen, und da galt es, auf der Hut zu sein und sie zu verteidigen. Auf diese Weise wurde er gewissermaßen Tierpfleger. Er sah das als Berufung, wie die Berufung zum Missionar oder Diakon. Tierpfleger war man, auch wenn es nur um Frösche ging. Sie hatten ja keine Katze. Auch keinen Hund.
Die Frösche waren lieb und leicht zu pflegen. Im Frühjahr schlüpfte die Froschbrut, er verwahrte sie in Einmachgläsern, und eines Morgens hatten sie den Schwanz abgeworfen und hüpften auf dem Küchenfußboden herum. Indem er auf der Schreibmaschine, die nur zehn Werkzoll vom Rücken der schlafenden roten Katze entfernt gelegen ist, die Zeilen über die Frösche in der Quelle herunterhämmert, umgeht er das Problem. Das ist wirklich kein Grund, sich zu schämen.
Er weiß, was er tut. Was soll ich tun.
Im März 2007 fiel ihm seine Antwort auf die Frage ›Was war deine erste Telefonnummer‹ wieder in die Hand.
Er muss sie im Winter 1986–87 in der Wohnung auf den Champs-Élysées 147 geschrieben haben. Es ist ein Text von einundzwanzig Seiten, der mit der Telefonnummer eingeleitet wird, ganz korrekt, und danach folgt eine Beschreibung des Hauses.
Nur das.
Er betrachtet den Jungen in seiner Zelle, der Junge betrachtet ihn. Die rote Katze auf dem Tisch zusammengerollt. Unendliche und ermüdende Wiederholungen, fast rituell, wie eine Messe. Jedes Zimmer ausgemessen, die Treppe ins Obergeschoss, Deckenhöhe, Ziegelqualität, Heizkörper, als habe ein västerbottnischer Bauernarchitekt über sein Lebenswerk Rechenschaft abgelegt. Alles mit großer Entschiedenheit, eine absurde Beschreibung von Balken, Fenstern, Wasserleitungen, von Anfang an mit einer Sachlichkeit, die nur langsam dahinschmilzt: der Junge beruhigt sich nach einigen Seiten und wird sicherer und atmet langsamer, und die Scham lässt nach, er ist vollkommen geborgen in seiner Zelle mit der Katze neben sich, und am Schluss findet er eine natürliche Anrede für seinen einzigen verbliebenen tierischen Freund .
Er meint den Kater.
Komisch war, dass es auch im Keller einen Brunnen gab. Er funktionierte nicht. Er hatte einen Fehler. Es war wohl Eisen im Wasser. Vielleicht konnte man es zum Wäschewaschen benutzen. Die Kellertreppe lag genau rechts von der Haustreppe, es war gut ein Meter Platz dazwischen. In der Küche gab es einen Ablauf. Es war ein Ausguß neben der Speisekammer. Das Wasser muss irgendwo abgeflossen sein, aber nicht neben der Quelle, wegen der Frösche, die reines Wasser haben sollten. In der Küche hatten wir einen Holzherd mit Kupferlavoir, in dem das Wasser gewärmt wurde, wenn man im Herd Feuer machte mit dem Holz, das ich im Holzschuppen hackte, der neben dem Lokus lag, der im Sommer schön war, eigentlich auch im Winter, überhaupt keine dicken gelben festgefrorenen Eisringe wie im Lokus bei der Schule, wo man sie mit dem Stemmeisen losschlagen musste. Der Holzherd war der übliche, mit Ringen. Einmal, als Papa noch lebte, scheinen wir eine Katze gehabt zu haben, aber dann starb sie, und danach war Schluss. Die Erklärung war, dass die Katze auf den Eisenherd geschissen hatte, als er kalt war, und da war Mama böse geworden, und deshalb durfte ich nie eine Katze haben, als ich klein war. Die Katze hat auf den Herd geschissen! sagte sie. Das Haus wurde mit Warmwasserheizung mit Holzbefeuerung unten im Keller geheizt, und mit Heizkörpern. Eine der Leitungen hatte Großvater dummerweise über den ungeheizten Dachboden verlegt, wo der Hutzucker stand, von dem ich Eeva-Lisa einmal gegeben habe und wo es im Winter dreißig Grad kalt werden konnte, außer in der inneren Kammer, wo der Stapel mit der Illustrierten Allers lag, die Mama nicht gekauft hatte, weil sie gläubig war. Wer hatte sie denn dann gekauft? Es konnte Papa gewesen sein, in der Zeit, als er noch Junggeselle war und nicht erweckt. Wenn man Pech hatte und das Feuer unter dem Kessel mitten im Winter ausging, und es war unter dreißig, fror immer die Leitung an der Krümmung zu, und man musste den Eispfropfen mit Kerzen auftauen. Mama saß im Winter oft da und hatte eine Wolldecke um sich geschlungen und wärmte die Krümmung mit der Kerze. Dann lag ich im Schlafzimmer nebenan und wunderte mich darüber, dass Großvater so dumm gewesen war und nicht
Weitere Kostenlose Bücher