Ein anderes Leben
Mats und Ingrid ihn nach Kopenhagen fuhren, an der Tankstelle in Jönköping sah, dass die Libellen zurückgekehrt waren, er erinnert sich, am Berghang hinter Vålådalens Högfjällshotell den Luchs gesehen zu haben und dass man darin ein Warnzeichen sehen konnte, ähnlich dem, als sein Ficus Benjamin starb, und ersetzt wurde, und starb und dann nicht wieder ersetzt wurde.
So war der Sommer 1989.
Seit langem keine Aufzeichnungen, kein Tagebuch, keine unfertigen Manuskripte.
Kopenhagen war eine wunderbare Stadt, und alle Freunde waren wunderbar, und wozu sollte er das verwenden. Er scheint vier Tage zur Entgiftung im Krankehaus Gentofte gewesen zu sein, kann sich aber nicht erinnern. Offenbar mit Krankenwagen eingeliefert, weil man ihn auf dem Fußboden gefunden hat, und sie hatten ihn barfuß weggefahren und mussten ihm die Schuhe bringen, als er entlassen wurde. Unglaublich, was in aller Eile passiert. Um seinen Verbrauch zu begrenzen, kaufte er jetzt Weißwein in Fünf-Liter-Kartons im Brugsen, also im Konsum, Pappkarton mit Hahn. Er will an den Prinzipien seiner Kindheit festhalten, also im Konsum einkaufen, und kauft deshalb die Kartonweine im Brugsen. Plötzliche trockene Perioden von fünf bis acht Tagen; am schlimmsten ist der erste Tag, wenn die Entzugserscheinungen einsetzen, er kämpft verzweifelt gegen das Stechen und das Gefühl, in einem Ameisenhaufen zu liegen, bewahrt aber dank dieser Pausen notdürftig das Ansehen nach außen. Egmont! Was hatten sie sich dabei gedacht?
Kein Außenstehender merkt etwas. Dessen ist er sich fast ganz sicher. Er soll bei einem großen fünfzigsten Geburtstag in Stockholm eine Rede halten, vergisst aber die Zahl und die Pointe und rettet sich elegant, und mit gewohnten Esprit , indem er ein zotiges Kasernenlied singt, das er beim Militärdienst gelernt hat. Es ist totenstill. Keiner lacht. Er nimmt an, dass das Publikum, das aus der gesammelten schwedischen Intelligenzia besteht, verzaubert ist.
Als er eines Nachts wie gewöhnlich gegen vier Uhr an der Seite seiner Frau aufwacht, ist plötzlich alles kristallklar und unumkehrbar: Er glaubt, gekämpft und alles versucht zu haben, und nichts hat geholfen. Er setzt sich im Bett auf und faltet die Hände und betet stumm und vorwurfsvoll zu Gott und sagt, ja aber ich habe es doch versucht, und ich habe gekämpft, aber der Dank ist diese chemische Vergiftung, die du mir gegeben hast, du elender Gott! Warum musst du, ähnlich der Art und Weise, in der du Hiob gestraft hast, mich so erbärmlich strafen? Und herzlieb du lieber Gott du, den es doch, wie ich mich erinnere, gegeben hat, kannst du nicht dieses Kreuz von mir nehmen. Denn du sollst wissen, und das sage ich dir mit meiner schärfsten Stimme, dass ich nicht mehr verantwortlich bin für das, was geschehen wird, wenn du diesen Kartoffelsack nicht von meinen Schultern hebst. Nicht dass ich mich ins Eisloch versenken will wie Onkel Aron, als er sich auf der Burebucht ein Loch ins Eis hackte und darin hängenblieb. Nein, ich werde den kleinen Volvo nehmen und mit hoher Geschwindigkeit nach Gilleleje fahren, wo ich mir einen Felsen ausgesucht habe, an dem ich diesen Volvo zerschmettern werde, den meine Frau mit Diplomatenrabatt gekauft hat, jetzt mit schwedischen Nummernschildern, weshalb wir in Kopenhagen nach Belieben falsch parken, weil die dänische Polizei eine solche Liebe für schwedische Einwanderer hegt, und wenn es auch schade ist für de Lone, dass se sich mit dänischen Schildern begnügen muss, nachdem’se neu gekauft hat, und dasse vorschriftsmäßig parken muss, aber wahrlich, wahrlich, ich sage dir, lieber Gott, meine Verzweiflung ist jetzt so groß, dass meine Geduld am Ende ist, und ich halte diese Erniedrigung, die du mir auferlegt hast, nicht aus.
Aber da hatte Gott, wenn es ihn gab, jedenfalls zu ihm gesprochen und gesagt: Per-Ola, hast du nicht ein Buch mit dem Titel Auszug der Musikanten geschrieben? Das bei mir auf dem Nachttisch liegt. Und das ich zu lesen begonnen habe. Und da habe ich gelesen, dass die kaputten und kranken und elenden Tiere in diesem Märchen, das Die Bremer Stadtmusikanten heißt, ihren letzten Marsch angetreten haben. Und sie haben sich gesagt, dass nichts hoffnungslos ist und dass auch die am tiefsten Erniedrigten eine Hoffnung haben. Und haben sie nicht zueinander gesagt: Es gibt immer noch etwas Besseres als den Tod .
Ich frage dich, Per-Ola – hast du dieses Buch geschrieben oder hast du nicht?
Von dem du unbedingt
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