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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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hineingekommen? Er erinnert sich daran, dass die Mutter seit dem Tod ihres Mannes jedes Jahr an Weihnachten ein Blumengebinde von einer »Gesellschaft« empfing, in der der Vater Mitglied gewesen war. Sie kann es nicht erklären. Es war alles so geheim.
    Es gibt so vieles, was er über seine Eltern nicht weiß. Nichts passt zusammen, bei ihnen, oder bei ihm selbst. Ein Tempelritter! Fast ein Freimaurer! Etwas stimmt da nicht. Die Karte vom Leben seiner Eltern, das auch das seine ist, bleibt voller weißer Flecken. Die unzähligen Fotos von der Stauermannschaft, die vor dem Papiermassefrachter im Hafen von Bureå posieren, geben mehr Sicherheit. Die Arbeiter stellen sich wie eine Fußballmannschaft auf, der Vater in der Mitte, oft lächelnd. Es sind Söhne der Arbeit, die Stauermannschaft, das passt, diese Bilder mag er. Das will er sehen.
    Aber Tempelritter? Das passt nicht.
    Er beschließt, dem Mysterium des Vaters und seines geheimnisvollen Ordens auf den Grund zu gehen. Es dauert seine Zeit, doch schließlich erfährt er, dass der Vater am 24.9.1931 auf Vorschlag von Fabrikant Frans Eriksson und Landwirt Per Johan Lundström aufgenommen und eingeweiht wurde. Er wird in die niedrigste Klasse aufgenommen. Die interne Arbeit ist geheim, Frauen sind nicht zugelassen, doch obwohl der Rang eines Großmeisters schon in sieben Jahren erreicht werden kann, scheint seine Aktivität nicht existent zu sein. Er steht still. Nicht einmal die zweite Klasse. Es ist unklar, ob er überhaupt weitere Treffen besucht. Aber Grabrede am 19.9.1935, sowie jedes Jahr zu Weihnachten die bereits erwähnten Blumen.
    Totale Abstinenz und Verschwiegenheit sind die zentralen Forderungen an die Mitglieder. In diesen Orden aufgenommen zu werden, gibt einem das Gefühl, man befände sich unter den Bedeutenden .
    Er kann dies als einen Erfolg erlebt haben, aber warum gab er auf?
    Die Arbeit des Ordens ist in verschiedene Grade aufgeteilt. »Ein höherer Grad ist ein neues Erlebnis, das demjenigen, der den Grad empfängt, neues Wissen vermittelt.«
    »Jeder Ordensbruder kennt nur die Grade, die er bereits erreicht hat. Die Ordensarbeit ist wie eine Lebenswanderung.«
    Normalerweise müsste er den vierten oder fünften Grad erreicht haben, bevor er starb. Aber nichts. Strebt er aufwärts, vorwärts oder nach innen? Geht aus den Dokumenten nicht hervor, nur dass er aufgab.
    War er rastlos?

Da er das einzige Kind ist – der eingeborene Sohn! –, hat die Mutter also eine Erwartung. Wenn alles sich zur Vollendung fügt, wird er als Pastor enden .
    Das ist schon früh klar. Er soll Verkünder werden.
    Die Mutter gibt ihm mit zurückgehaltenen Tränen das Gesangbuch mit der vom Vater auf eines der Vorsatzblätter geschriebenen Botschaft. Er versucht zu lesen, unter Aufbietung einiger andächtiger Tränen, wie es erwartet wird. Es leuchtet wie in Flammenschrift durch seine ganze Kindheit. Folge der Botschaft! Werde nicht zum Verräter an den letzten Worten deines Vaters! Diese aufdringlichen Mitteilungen auf den Vorsatzblättern des Gesangbuchs, mit zitternder Hand mit Bleistift geschrieben: der Vater lag ja im Sterben und wusste es. Er liest sie, von der Mutter dazu ermahnt, viele Male, und jedes Mal stellt sich ein ihm inzwischen gut bekanntes Gefühl der Beklemmung ein. Das erste ist kristallklar: »Per-Ola, werde Christ.«
    Wie schüttelt man ein Erbe ab? Und welches Erbe ist es, das des Waldarbeiters, das des Stauers oder das des heimlichen Tempelritters?
    Weshalb die Beklemmung? Warum wehrt er sich auch gegen die Mutter? Diese beginnende Widerspenstigkeit! Er betrachtet sich selbst durch sie, und fängt an, sich Fragen zu stellen.
    Hat nicht auch ihre Verankerung in der Erweckungsbewegung etwas Zweideutiges? Eine Spur von Hochkirchlichkeit scheint sich darin zu verbergen. Wenn sie das Kind als zukünftigen Verkünder sieht, dann stellt sie sich nicht den örtlichen Prediger Forsell vor, der mit dem Fahrrad zwischen den Bethäusern der Gegend herumfährt und seine Kinderschar als Totengräber ernährt. Schwebt ihr nicht eher Bischof Giertz vor? Sie besitzt sein Buch Und etliches fiel auf den Fels , liest oft darin, trotz des theologischen Abgrunds, der sich ihr auftun sollte! Die Oxfordbewegung! Das Kind als Prediger Forsell oder Bischof Giertz?
    Er weiß nicht, was sie sich vorstellt.
    Unmerklich fällt er jedoch in die Verkünderrolle, es ist wie ein existenzielles Gift. Die Gleichnisse! Wie Christus uns im Alltag begegnet! Jedes triviale

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