Ein Bär im Betstuhl
gehor sam auf sein Bett sprang und sich hinlegte.
Oskari Huuskonen packte seinen Koffer aus, hängte die Sachen in den Schrank und stellte die Bücher ins Regal. Er besaß einen Talar, ein schwarzes und ein weißes Hemd und eine weiße Stola, ferner zwei schwarze Umhänge, einer davon war bereits ziemlich verschlissen, sowie schwarze und weiße Strümpfe und einen schwar zen Mantel, außerdem natürlich zwei Beffchen, eines aus weißem Leinen und das andere, für den Alltags gebrauch, aus weißem Kunststoff, letzteres war bereits sehr abgestoßen. Neue Beffchen brauchte er sich jetzt nicht mehr anzuschaffen, bis auf weiteres hatte er kei nen Gebrauch dafür. Auch ein grauer Zivilanzug und Freizeitkleidung gehörten zu seiner Ausstattung, die sich in dem schmalen Kleiderschrank des Internats ohne Probleme unterbringen ließ.
Der Pastor legte sich aufs Bett, der Bär ruhte auf dem seinen. Die Ruhe im Haus war vollkommen, draußen war kein Laut zu hören, drinnen ebenfalls nicht. Huuskonen hatte das Gefühl, wieder in den Winter schlaf zu versinken. Das Leben schien sich neuerdings um nichts anderes mehr zu drehen.
In Ermangelung einer anderen Beschäftigung ging der Pastor nach unten, um zu telefonieren. Er rief Witwe Rehkoila in Nummenpää an und gab ihr seine neue Adresse, anschließend plauderten sie ein wenig. Die Witwe erzählte, dass es im See recht viel Fisch gegeben habe. Sie habe zur Probe ein paar Hektar Hafer ange baut, der Herbstweizen sei gut aufgegangen. Im Dorf sei kein nennenswerter Klatsch über Pastor Huuskonen im Umlauf, allerdings gehe sie, alt wie sie sei, auch kaum aus.
»Wie geht’s denn dem Sapperlot?«
»Gut, ich erziehe ihn zur Sauberkeit.« »Er lernt bestimmt schnell«, vermutete die Witwe. Damit waren die Gesprächsthemen erschöpft, und
Huuskonen kehrte ins Zimmer zurück, wo ihm der Bär das Gesicht leckte. Sapperlot hatte Sehnsucht nach ihm gehabt, hatte sich aber trotzdem nicht eigenmächtig auf den Weg gemacht.
Beim Frühstück lernte der Pastor die Kursteilnehmer kennen. Er erzählte, dass er sich ein paar Tage im Haus aufhalten wolle, vielleicht auch länger, man werde sehen. Die Teilnehmer baten ihn, gelegentlich eine Andacht für sie zu halten, wenn ihm das nicht zu viel Mühe mache. Er versprach, darüber nachzudenken. Dem Bären brachte er ein paar Toastbrote und Eier aufs Zimmer.
Am Nachmittag rief Sonja Sammalisto aus Oulu an. Sie hatte Oskaris Telefonnummer von der Witwe Rehkoi la bekommen. Die Wissenschaftlerin war aufgekratzt, lachte und hänselte Oskari, sie nannte ihn einen alten, drolligen Bären, der aus dem Winterschlaf erwacht sei. Dann wurde sie ernst und entschuldigte sich für ihr Verhalten im Winter. Sie erzählte, dass sie ihre Verlo bung gelöst habe, und behauptete, immer noch gläubig zu sein.
Oskari Huuskonen ärgerte sich über ihre Fröhlich keit, weil er unter den Folgen ihres Treibens gelitten hatte – eigentlich natürlich unter den Folgen seines eigenen Treibens, aber trotzdem. Was wollte sie noch, war nicht ihre Beziehung seit dem Winter zu Ende? Er raffte sich zu der Frage auf, wie weit sie mit ihrer Lizen ziatarbeit gekommen war.
Sie sagte, dass sie deshalb eigentlich anrufe. Sie wolle nach Vampula kommen, um Sapperlots Sommerleben, seine Wachphysiologie, zu erforschen. Die bloßen Winterschlafmessungen ergaben vielleicht nicht genug Material, auch wäre doch ein Wiedersehen sehr schön.
»Ist dort Platz, darf ich kommen?«
Platz war im Haus, aber sonst war sich Oskari wirk lich nicht sicher, ob es sinnvoll war, dass sie wieder zu ihm kam.
»Nun sei nicht so mürrisch. Wir hatten es doch letzten Winter verdammt lustig zusammen.«
»Ja, sicher.«
»Immerhin den ganzen Winter in ein und derselben Höhle!«
»Überleg es dir, mein Leben ist momentan völlig unge ordnet.«
Drei Tage später entstieg Sonja Sammalisto auf dem Hof der christlichen Volkshochschule von Vampula einem Taxi. Sie quartierte sich auf einer Etage mit Huuskonen und Sapperlot ein, wohnte Wand an Wand mit ihnen und erklärte, dass sie nun Gelegenheit habe, ihre Forschungen voranzutreiben. Noch am selben Abend führte sie den Bären im Garten und auf dem Hof herum und erzählte allen, dass das Tier ganz zahm sei und dass sie es den ganzen vergangenen Winter studiert habe. Pastor Huuskonen sei ihr Beichtvater, erklärte sie. Das Personal und die Kursteilnehmer hatten sich längst über Huuskonens ungeheuren Appetit gewundert, aber die
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