Ein Bär im Betstuhl
Pastor sehe es nicht als seine Aufgabe an, die Welt zu verbessern, und erfinde keine neuen über flüssigen Lehren. Es genüge, wenn er die Botschaft des Evangeliums verkünde, das sei Ideologie genug, und außerdem tröste es die arbeitslosen und ideologielosen Menschen.
»Lieber Oskari. Falls es dir gelingen sollte, irgendeine neue Idee, neue Werte für das Leben, meinetwegen eine Ideologie zu entwickeln, was würde daraus folgen? Dann würden sich die Menschen dafür begeistern und anfan gen, sich gegenseitig zu bekehren… Wieder würde ge lehrt und Zwang ausgeübt, über die Reinheit der Lehre gewacht, die Gegner würden eingesperrt, Andersden kende gefoltert und getötet.«
Pastor Huuskonen nannte den Bischof einen zyni schen alten Mann, dem allein sein bischöflicher Frieden und sein ruhiger Posten wichtig seien.
»Dir scheint nichts von alledem recht zu sein, was im Verlaufe der Jahrtausende geschaffen worden ist. Ich weiß wirklich nicht, was man mit dir machen soll«, klagte der Bischof.
»Anscheinend steht mir die Entlassung bevor«, äußer te der Pastor seine Vermutung.
Der Bischof sagte, dass er daran gedacht habe, Huuskonen als Pastor in die nordkarelische Grenzregion zu schicken. Seines Wissens gebe es in Naarva nahe Ilomantsi eine kleine Waldkapelle. Aber selbst diese Alternative erscheine ihm jetzt problematisch. Die Sünde bleibe auch hinter Gottes Rücken nicht unentdeckt, die Wogen neuer, verrückter Ideen würden auch durch weite Distanz nicht geglättet.
Der Bischof schlug vor, dass sich Huuskonen für ein Jahr, bei halbem Gehalt, von seinem Amt freistellen lasse und in psychiatrische Behandlung begebe. Auch die Frau des Pastors sei dieser Meinung gewesen, als er sich mit ihr über das Problem unterhalten habe.
»Und von jenem pelzigen Gesellen musst du dich verabschieden. Bring ihn in die Tierklinik und lass ihn einschläfern.«
»Er braucht keinen Schlaf, er ist gerade aus dem Winterschlaf erwacht.«
Nach Meinung des Bischofs passte Bärenhaltung nicht zu einem Kirchenmann. Es war einfach zu ausge fallen. Ein Pastor musste durchschnittlich sein, am liebsten noch etwas gewöhnlicher als der Durchschnitt, dann klappte es auch mit der Verkündigung von Gottes Wort.
»So ist es ja auch beim Fernsehen: je dümmer die Programme, desto höher die Zuschauerzahlen. Die Kirche muss mit der Zeit gehen und das intellektuelle Niveau der Predigten erheblich senken.«
»Das dürfte dir, lieber Bischof, ja nicht schwer fallen.« Die Stimmung war gereizt, und der Bär witterte es.
Als der Bischof die einjährige Freistellung für den Pastor unterschrieben hatte und es Zeit war zu gehen, packte der Bär mit seinen Krallen das Hosenbein des Bischofs, riss einen tüchtigen Fetzen heraus und gab ihn nicht wieder her, sondern brummte drohend.
»Wenn ich kein Geistlicher wäre, würde ich die Polizei rufen, würde dich, Oskari, hinter Gitter bringen und jenem Satan dort den Garaus machen«, schimpfte der Bischof wütend zum Abschied.
DES BÄREN AUSBILDUNG
Die Ehe wurde geschieden und der Besitz geteilt. Oskari Huuskonen verlor seine Angelhütte und seine bewegli chen Güter, bekam aber den Bären und den japani schen Mittelklassewagen, außerdem sein Rasierzeug, seine Kleidung, seine Bücher. Bis Ende Mai durfte er in der Hütte auf der Insel wohnen, aber dann musste er auch dort ausziehen, weil der neue Besitzer die Hütte für sich beanspruchte.
Es half nichts, er musste seine wenigen Sachen ins Auto packen und Sapperlot auf den Beifahrersitz setzen. Oskari spannte den Sicherheitsgurt um den Bauch des Bären. Der fand den Gurt zunächst sehr ärgerlich, aber als Oskari ihn anbrüllte und ihm einen Hieb aufs Maul verpasste, fügte er sich und blieb ruhig sitzen. Dann ging es los. Der geschasste Pastor stand vor einem Scheideweg. Eigentlich war es egal, wohin er sich wand-te, sagte er sich.
Während er aufs Geratewohl in Richtung Pori fuhr, kamen ihm Verse aus dem dritten Kapitel des Buches des Predigers Salomo in den Sinn. Der Pastor sprach laut vor sich hin:
»Ich sprach zu meinem Herzen: Es geschieht wegen der Menschenkinder, auf dass Gott sie prüfe und sie sehen, dass sie an sich selbst sind wie das Vieh. Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh: Wie dieses stirbt, so stirbt er auch, und haben alle einerlei Odem, und der Mensch hat nichts mehr als das Vieh, denn es ist alles eitel. Es fährt alles an einen Ort, es ist alles von Staub gemacht und wird wieder zu Staub.«
Der
Weitere Kostenlose Bücher