Ein Bär im Betstuhl
erwacht.«
»Du hast eine Weile nicht gepredigt.« »Ich hatte keine Lust, außerdem hat man es mir ver
boten.«
Der Feuerwehrchef sagte, dass es auch ihm nicht be sonders gut gehe.
»Es gibt zu wenig Brände heutzutage, bin jetzt nur noch halbtags angestellt.«
Der Pastor schloss die Sakristei auf und trat ein. Er entließ Sapperlot in den Kirchensaal, wo dieser sofort alles beschnüffelte; er kletterte auf die Kanzel und die Empore, wusste aber noch, dass er den Altar nicht betreten durfte.
Pastor Huuskonen saß in der Sakristei und blätterte in seinen Papieren, als Hilfspredigerin Sari Lankinen eintrat. Sie wirkte ein wenig ängstlich und verkrampft. Huuskonen erkundigte sich, wie es während seiner Abwesenheit in der Gemeinde gelaufen sei.
»Ich habe mein Bestes versucht, aber es gab einfach zu viel Arbeit, während Sie… im Urlaub waren.«
Sie rieb an einem roten Pickel an der Nasenwand. Verlegen erzählte sie, dass ein Brief von Bischof Ket terström gekommen sei, der Pastor solle bei ihm vor sprechen, um dienstliche Angelegenheiten zu klären.
»Was macht seine Brust?«
»Davon hat er nichts geschrieben, wahrscheinlich ist sie geheilt.«
»Ich werde nächste Woche nach Helsinki fahren. Aber vorher will ich meine Post und die laufenden Angelegen heiten erledigen.«
Es waren keine Briefe da. Die Mitarbeiter im Pfarramt wichen dem Pastor aus, niemand mochte so recht mit ihm reden. Über den Bären fiel kein Wort.
Huuskonen ließ beim Schuster einen neuen, größeren Maulkorb für Sapperlot anfertigen und gewöhnte das Tier daran. Dann kaufte er Ringwurst und fütterte den Bären, dessen Organismus nach dem langen Winter schlaf wieder zu funktionieren begann, er verschlang pro Tag bis zu drei Kilo Wurst. Huuskonen aß die gleiche Wurst, briet sich seine Portion allerdings in der Pfanne und tat Zwiebeln hinzu. Der Pastor schlief im Pfarrhaus auf dem Fußboden, auf einem Flickenteppich, den er sich aus der Sauna geholt hatte, der Bär legte sich wie gewohnt daneben, nachdem er noch ein wenig herumge tollt war. Obwohl er bereits ziemlich viel Kraft besaß, spielte er noch gern.
Am Ende der Woche fuhr Huuskonen nach Helsinki zum Domkapitel. Er führte Sapperlot an der Leine und ließ sich vom Sekretär des Bischofs zu dessen Arbeits zimmer geleiten. Die Männer begrüßten sich. Der Bär legte sich auf den Teppich und sah Ketterström miss trauisch an.
»Möchtest du Kaffee, lieber Bruder?« »Reden wir gleich Klartext.«
Der Bischof versuchte einen väterlichen Ton anzu schlagen, während er Huuskonens Probleme abhandel te. Er zählte dessen Sünden auf, angefangen bei den unehelichen Kindern, ging auf seinen hitzigen Predigtstil und seine zahlreichen Eigenmächtigkeiten ein und erinnerte an das Schreibverbot, das sie im letzten Ge spräch vereinbart hatten. Von den Überbleibseln des Speers in seiner Brust sagte er kein Wort, stattdessen sprach er lange über Huuskonens Benehmen im Winter und über die Bärenhöhle, monierte, dass sich der Pastor auf dem Hof einer Witwe in den Winterschlaf begeben habe, wobei er den Bären und eine junge Frau bei sich gehabt habe. Nach Auffassung des Bischofs war all das äußerst unüberlegt gewesen.
Ferner waren Sündenbekenntnisse auf der Kanzel nicht die Art von Rhetorik, die sich die evangelisch lutherische Kirche Finnlands von ihren bezahlten Pasto ren wünschte. Wenn dann auch noch die Frau des
Pastors ihre Ehescheidung öffentlich machte und zu sätzlich aus der Kirche austrat, dann hatte auch ein Bischof Grund, sich zu wundern.
Schließlich kam Ketterström zur Sache: »Tja… ich habe mir im Laufe des Winters Gedanken
gemacht, ob du nicht besser eine andere Aufgabe im Rahmen der Kirche übernehmen solltest. Schade nur, dass es kaum etwas gibt, das du machen könntest. Du gehörst zu jener Sorte Weltverbesserer, die die heutige Zeit nicht recht braucht.«
Pastor Huuskonen gab zu, dass er um Glaubensfra gen habe ringen müssen und dass sein Glauben nicht mehr auf sehr festem Boden stehe.
»Das finnische Volk und letztlich die ganze Mensch heit braucht eine neue Idee, eine Ideologie, an die sie glauben kann. Mir scheint, dass die Welt andernfalls zugrunde geht, sich in Kriegen und Unruhen aufreibt, so wie Sodom und Gomorrha«, erklärte er.
Der Bischof erwiderte darauf, dass Oskari Huuskonen nicht der richtige Mann sei, eine neue Ideologie zu ver künden, jedenfalls nicht als Vertreter der Kirche. Ein vernünftiger
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