Ein Bär im Betstuhl
Bär lauschte stumm, so wie es Bären zu tun pfle gen. Er bezog keine Stellung, sah nur geradeaus durch die Windschutzscheibe und ließ Huuskonen seine Verse zitieren.
In Huittinen tankte der Pastor und prüfte den Reifen druck. Im Caf é der Tankstelle kaufte er Hamburger, sowohl für sich selbst als auch für Sapperlot. Der Bär musste unbedingt Manieren lernen: Oskari brachte ihm bei, seine Portion nicht auf einmal hinunterzuschlingen, sondern abzubeißen wie ein Mensch. Anschließend wischte er sein Maul mit Papier ab. Das Tier war geleh rig, es begriff irgendwie, dass das Fresswerkzeug abge wischt werden musste, wenn die Nahrungszufuhr ab riss.
»Ich hätte dich schon im Herbst töten sollen«, sinnier te Oskari Huuskonen, als er weiterfuhr. »Dann wäre der ganze Blödsinn im letzten Winter nicht passiert.«
Der Bär sah den Pastor mit schräg geneigtem Kopf und Tränen in den Augen an. Begriff er, dass Huusko nen von seinem Tod sprach? Wohl kaum. Es waren die scharfen Gewürze des Hamburgers, insbesondere Zwie beln und Senf, die ihm das Wasser in die Augen trieben.
Aber wohin ging eigentlich die Fahrt? Nirgendwohin, es gab kein Ziel, niemand wartete. Ein fünfzigjähriger Mann hat nicht mehr die Flexibilität eines jugendlichen Hallodris. Pastor Oskari Huuskonen war in eine schlimme Krise geraten, das Leben hatte sich gegen ihn gewandt. Er war vermutlich ein bisschen verrückt, zumindest neurotisch, doch egal, jetzt musste er etwas unternehmen, wenn er dem Schicksal nicht nachgeben wollte. Das Schicksal? Es war ein Knäuel aus teufli schen Zufällen, ein hässliches Chaos, aus dem er sich irgendwie befreien musste. Jetzt war er mit dem Bären unterwegs, und als Erstes musste er seinen Verstand anstrengen und ein Ziel ins Auge fassen, einen Ort, zu dem sie fahren und an dem sie irgendetwas tun konn ten.
»Gestalten wir erst mal den Sommer. Im Herbst töte ich dich dann, wenn mir nichts Besseres einfällt.«
Pastor Huuskonen bog in Richtung Turku ab und be schloss dann, einen Abstecher nach Vampula zu ma chen. Er erinnerte sich, dass es dort eine christliche Volkshochschule gab, in den Sechzigerjahren war er dort auf einem Laienseminar zu Gast gewesen.
Vampula war ein kleiner Ort in der Provinz Satakun ta, aber Huuskonen entdeckte eigentlich nichts Bekann tes. An der Tankstelle sagte man ihm, dass es die Volkshochschule noch gebe und dass dort im Sommer allerlei Kurse abgehalten würden. Der Pastor ließ sich den Weg beschreiben und fuhr hin. Die Schule war ein gelb angestrichenes zweistöckiges Holzhaus, zu dem eine zweihundert Meter lange Birkenallee führte. Vor dem Gebäude gab es eine Rasenfläche und einen mit Schotter bedeckten Parkplatz, auf dem Huuskonen seinen Wagen abstellte. Sapperlot ließ er drinnen sitzen.
Es war bereits Nachmittag, im Speisesaal war das Mittagsgeschirr abgeräumt, und ein paar Leute saßen dort beim Kaffee. In der Schule liefen zwei Sommerkur se: Etwa zwanzig Hobbyornithologen, darunter auch einige Ausländer, hatten sich zu einer Vorlesungsreihe versammelt, und die zweite, etwas kleinere Gruppe befasste sich mit Lymphtherapie.
In dem angeschlossenen Internat fand sich auch Platz für Oskari Huuskonen. Der Übernachtungspreis war niedrig, besonders, als Huuskonen erzählte, dass er ein vom Dienst suspendierter Pastor sei. Er trug seinen Koffer ins Zimmer und holte dann auch den Bären, wobei er aufpasste, dass ihn niemand sah. Das Zimmer war klein, es war ausgestattet mit zwei Betten, einem Schreibtisch und einem Sessel mit Stoffbezug. Ein Telefon gab es nicht. Oskari wies Sapperlot sein Bett zu, und der ließ sich sofort darauf nieder. Anschließend holte sich Oskari aus der Küche Essen, es gab noch Reste vom Mittag. Der Hackbraten schmeckte beiden. Oskari wischte dem Bären wieder das Maul ab und versuchte ihm beizubringen, das selbst zu tun, was aber noch nicht recht klappte. Und in den Zähnen zu stochern gelang dem Bären erst recht nicht.
Auf dem Flur befanden sich Dusche und WC. Oskari führte Sapperlot ans Toilettenbecken und passte auf, dass er darüber sein Geschäft erledigte. Anschließend riss Oskari eine größere Menge Papier ab und wischte dem Bären den Hintern ab. Er forderte ihn auf, auch das selbst zu tun, aber Sapperlot verstand den Sinn der
Prozedur nicht.
»Du hast eine harte Schule vor dir, junger Mann, der Winterschlaf ist zu Ende«, murmelte Oskari, während er den Bären wieder ins Zimmer führte, wo dieser
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