Ein Bär im Betstuhl
Anwesenheit des Bären, die nun publik wurde, erklärte dies.
Der Bär beobachtete aufmerksam, wie Sonja ihre Kleider bügelte. Als sie sich zwischendurch ausruhte und aufs Bett setzte, packte er das Bügeleisen und ahmte ihre Bewegungen nach. Er verbrannte sich die Tatzen an der heißen Platte, lernte aber bald, sich vor zusehen, und fuhr mit dem Eisen hin und her, bis die Sachen glatt waren. Perfekt war das Ergebnis nicht, aber für die Arbeit eines Bären durchaus befriedigend. Oskari Huuskonen fing an nachzudenken, was er dem Bären sonst noch beibringen könnte und ob es über haupt den Versuch lohnte.
»Der Intelligenzquotient von Bären ist höher als der von Hunden«, erklärte Sonja Sammalisto. »Man muss nur auf die Tiere eingehen und sie fordern.«
ÜBER DAS ZÄHMEN VON TIEREN
Die Sache mit der Religion hatte sich bei Sonja Samma listo inzwischen so weit normalisiert, dass sie sich nicht mehr einbildete, die Braut Jesu zu sein, und nicht mehr pausenlos betete, so wie sie es noch während des Win
terschlafes getan hatte. Resolut, wie sie war, war sie inzwischen aus ihrer Ekstase erwacht, behauptete aller dings, ernsthaft gläubig zu sein, was sie auch von Pastor Huuskonen, ihrem Lehrmeister, erwartete.
»Ich bin nicht dein Lehrmeister, bin es nie gewesen.« »Du hast ein armes, schlichtes Mädchen mit göttli
chen Verkündigungen eingenebelt.« Oskari Huuskonen sagte, dass aus seiner Sicht eine
Biologin, die ihre Doktorarbeit schrieb, keine kleine Närrin war, die schlagartig fromm wurde.
»Du hast mich im Namen Gottes ausgenutzt«, erinner te Sonja ihn.
»Red kein Blech. Du hast selbst die Beine breit ge macht.«
»Ich habe Mitleid mit dir brünstigem, altem Kerl ge kriegt, außerdem war es sowieso eng in der Höhle.«
»Ja, natürlich.«
Sonja Sammalisto maß täglich Sapperlots Temperatur und Puls und zeichnete seine Gehirnströme auf. Sie untersuchte seine Exkremente, trocknete und analysier te sie. Pastor Huuskonen äußerte Zweifel an der Glaub haftigkeit der wissenschaftlichen Forschung und wies darauf hin, dass der Bär Speisen zu sich nahm, die in der Küche der Volkshochschule zubereitet wurden und die auch die Menschen aßen. Auf seinem Speiseplan stand nichts von der üblichen Beute eines Raubtieres, keine Frösche, keine Hasen, nicht einmal Aas. Sonja sagte, dass sie die Verdauung des Bären untersuche, deshalb sei es nicht wichtig, dass er zum Frühstück Cornflakes, zum Mittag Fleischsoße und zum Abendbrot Tee und Piroggen zu sich nehme.
»Mir geht es darum, herauszufinden, wie im Magen des Bären faserreiche Nahrung verdaut und wie wieder um Würstchensoße, die mit Aas zu vergleichen ist, in seinem Darm zu Energie wird.«
Sonja führte Sapperlot aufs Klo, stellte seine Hinter lassenschaften sorgfältig sicher und sorgte dafür, dass er sich jedes Mal den Hintern abwischte. Der Petz moch te Sonja und gehorchte ihr gern. Morgens brummte er ungeduldig, drängte auf die Toilette und anschließend unter die Dusche, und Sonja stellte ihm ein eigenes Badetuch zur Verfügung. Seinen Pelz zu trocknen war ziemlich mühevoll, und bald entschieden Huuskonen und Sonja, dass es genügte, wenn er alle zwei Tage duschte. An den Tagen dazwischen reichte es, sein haariges Gesicht und das Maul zu waschen und ihn leicht zu bürsten.
»Wir müssen aufpassen, dass seine Haut nicht zu schuppen anfängt«, meinte Sonja.
Oskari Huuskonen genoss seinen Aufenthalt in der christlichen Volkshochschule. Er fühlte sich wohl in der Gesellschaft der Ornithologen, es waren aufgeklärte Menschen, mit denen er sich gern abends in der Kamin ecke des Speisesaals unterhielt. Die Lymphtherapeuten reisten gegen Ende der ersten Woche ab, aber Oskari trauerte ihnen nicht besonders nach, zumal sich die nachfolgenden Kursteilnehmer mit arabischem Bauch tanz beschäftigten. Aus dem Turnsaal waren den ganzen Tag lang die Klänge des Tamburins zu hören, und der Fußboden vibrierte, wenn die stämmigen finnischen Frauen ihre Hüften schwenkten und den Nabel im Takt der Musik kreisen ließen. Manchmal führten sie ihre Künste abends den Ornithologen und Pastor Huuskonen vor. Nach einer dieser Aufführungen klopfte er an Son jas Zimmertür und bat sie zur Nacht zu sich, schließlich hatten sie auch schon früher gemeinsam auf einer Matratze gelegen. Sie versprach denn auch, in Oskaris Zimmer zu ziehen, aber unter der Bedingung, dass er jeden Morgen und jeden Abend eine kurze Andacht
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