Ein Bär im Betstuhl
hielt.
»Ich bin aber nicht mehr gläubig.«
»Entweder du predigst, oder du schläfst allein«, erklär te sie.
»Also gut, aber zum Singen kannst du mich jedenfalls nicht zwingen.«
Am Kaminfeuer wurde es fortan abends still, wenn die Bauchtänzerinnen und die Ornithologen Huuskonens Andachten lauschten. Er gewöhnte sich an, auch Eng lisch und Deutsch zu sprechen, denn unter den Vogel freunden waren zwei Deutsche, ein Schweizer und ein paar Engländer. Die Ornithologen hatten in Porkkala den Frühlingszug der arktischen Vögel beobachtet und hielten jetzt ein internationales Symposium zum Thema ab.
Der schweizerische Teilnehmer war ein Offizier, älter als Huuskonen, der unter Depressionen litt. Er bat den Pastor um seelsorgerische Gespräche und sagte, dass sie ihm helfen würden, obwohl er katholisch und Huuskonen, wie in den nordischen Ländern üblich, Lutheraner war.
Hauptmann Hans Kroells Depressionen rührten da-her, dass ihn die schweizerische Armee, wo er als Aus bilder von Brieftauben tätig gewesen war, in den vorzei tigen Ruhestand geschickt hatte. Die für die militärische Kommunikation geschulten Tauben waren seit den Tagen des ersten Weltkriegs die Geheimwaffe der schweizerischen Truppen gewesen. Die Armee hatte Dutzende von Taubenschlägen in verschiedenen Teilen des Alpenlandes unterhalten, und die Vögel waren dazu abgerichtet worden, Befehle und Informationen über den Feind zwischen den Einheiten und Stäben hin und her zu tragen. Als Oskari fragte, ob denn die Schweiz nicht die Mittel besaß, Funkgeräte anzuschaffen, verriet der Hauptmann, dass diese Geräte unter Gebirgsbedingun gen nicht viel nutzten, denn Berge störten den Funkver kehr erheblich. Es waren die üblichen Störungen, die Geräte rauschten, und nur unverständliches Zeug war zu hören. Wie der Hauptmann betonte, hatten die gut ausgebildeten Militärtauben die Kommunikation inner halb der Armee bis in die heutige Zeit vorbildlich abgesi chert.
»Aber dann kam irgendein Holzkopf in der Armeefüh rung auf die Idee, dass gespart werden muss. Meine kleinen Tauben wurden angeblich zu teuer. Es stimmt natürlich, dass der Unterhalt von dreißig Taubenschlä gen, über das ganze Land verteilt, nicht gerade billig ist, aber für die Sicherheit der Nation muss man eben bereit sein zu zahlen. Außerdem hatten wir am Schluss nur noch zweihundertsiebzig Brieftauben, die die Armee gut und gern hätte ernähren können. Der Einsatz nur eines Panzerwagens ist teurer.«
Hans’ ganzes Lebenswerk war mit einem Schlag zu nichte gemacht, der Ausbilder der Kriegstauben war in Rente geschickt worden.
»Die ganze Taubenpopulation wurde völlig gefühllos vernichtet, die armen Tiere wurden getötet und vermut lich in irgendeinem Offizierskasino verspeist«, klagte der Mann.
»Hast du schon mal daran gedacht, Friedenstauben zu züchten?«, erkühnte sich Oskari Huuskonen zu fragen.
Diese Möglichkeit hatte Hans Kroell allerdings in Er wägung gezogen: Über das Internationale Olympische Komitee hatten ihm viele Bewerberstädte verlockende Angebote gemacht, bei denen es um die Aufzucht meh
rerer tausend Friedenstauben ging. Jener Tiere eben, die man bei der Eröffnung der Olympischen Spiele als Sym bol der Friedensbotschaft des Sports in die Luft schick-te. Auch aus Brasilien waren Anfragen bezüglich der Gründung einer Taubenzucht gekommen – die Organi satoren des Karnevals fanden, dass die weißen, in die Freiheit entlassenen Vögel eine prachtvolle Startkulisse für die einsetzenden Sambaklänge bieten würden.
Aus alledem war zu ersehen, dass Hauptmann Hans Kroell ein international geschätzter Taubenzüchter war. Er hatte es jedoch abgelehnt, seine Zeit und seine Er fahrungen in die Zucht von Friedenstauben zu stecken, denn er fand, dass das ethisch nicht korrekt sei.
»Wenn die Tauben in einem Stadion massenweise und unter viel Getöse freigelassen werden, geraten die Tiere völlig außer sich, sie flattern herum und werden zur Beute von Raubvögeln oder bösen Knaben, und den Rest schnappen sich streunende Hunde. Diese Tierquälerei ist nichts für mich, ich liebe Vögel.«
Hans Kroell sagte, dass er ebenso gut auch Jagdfal ken für arabische Länder ausbilden könne, da floss viel Geld, und ein Markt war da, solange es auf der Welt Wüsten und reiche Ölscheichs gab.
»Auch einen Raubvogel darf man nicht zwingen, zur Freude seines Herrn und nur um des Tötens willen Wild zu reißen, das
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