Ein Bär im Betstuhl
runtergelassen… In einer Notsituation hätte er Dutzende Menschenleben gerettet«, erklärte der Kapi
Pastor Huuskonen fragte, wie groß der angerichtete Schaden sei, auch der Zeitplan sei vermutlich durch die außerplanmäßige Rettungsübung des Bären durchein ander geraten.
»Nun, zwei Stunden bedeuten auf dem Ozean nicht viel… aber von jetzt an musst du den Bären besser im Auge haben, sonst fummelt er womöglich noch auf der Kommandobrücke an den Instrumenten herum. Dann
laufen wir, wenn es schlimm kommt, in einem Fjord auf Grund.«
Sie passierten das Nordkap und Petsamo und gelang ten schließlich in den Kolafjord, eine sehr tiefe Rinne, die nach Murmansk führte, sie war Dutzende von Kilo metern lang und eingerahmt von sanft abfallenden nackten Bergen. Überall war der Zusammenbruch des Riesenreiches sichtbar: Rostige Schiffswracks lagen auf den Uferfelsen, man hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, sie zu verschrotten. Die Wasseroberfläche war von einer Ölschicht bedeckt, überall am Ufer lag Ge rümpel. Der größte Hafen der Welt war verstummt, nur ein paar Kräne knirschten im heruntergekommenen Fischereihafen, und in dem Militärhafen am gegenüber liegenden Ufer des Fjords schnaufte ein riesiges, graues Truppentransportschiff, auf dem Deck spielte dröhnende Blasmusik, während irgendein Admiral die Reihen der angetretenen Soldaten inspizierte. Ein U-Boot mit schwarzem Rücken schwamm, vertäut zwischen zwei Schleppern, fast mitten im Fjord, es war nicht klar, ob es aus dem Eismeer geholt oder dorthin gebracht wurde.
Die Alla Tarasowa legte an, die Schlepper entfernten sich. Auf dem Kai erschienen Hafenarbeiter, und flugs wurde Oskari Huuskonens Auto an den Seilen eines Krans befestigt. Als die Mannschaft an Land ging, be fand sich auch das Auto schon auf dem Kai, dicht ge drängt umstanden es die potenziellen Käufer, um seinen Zustand zu prüfen. Eifrig machten sie Oskari Huusko nen ihre Angebote: Der erste bot eine Tasche voller Rubel, zehn Liter Wodka und fünfhundert Dollar harte Währung, der zweite bot mehr, der dritte am meisten. Es war ein leichtes Geschäft, Huuskonen verkaufte sein Auto einem Mann, der dreißig Flaschen Wodka, tausend Dollar und dazu eine Summe Rubel bezahlte, die etwa dem Zweijahresverdienst eines einfachen Arbeiters entsprach.
Noch am selben Abend hielten neben dem Schiff meh rere finnische Reisebusse, denen Touristen entstiegen, hauptsächlich Frauen jenseits der sechzig. Sie kamen aus Nordfinnland und hatten sich aufgemacht, die ehemals abgesperrten nördlichen Gebiete des zusam mengebrochenen Staates, der sich gleichzeitig geöffnet hatte, zu besichtigen. Während der Kreuzfahrt sollte die Halbinsel Kola umfahren, die Stadt Archangelsk und auf dem Rückweg auch die Klosterinsel Solowezk besucht werden, Zielhafen war wieder Murmansk, und das Gan ze sollte eine Woche dauern. Die Omis bestiegen das Schiff, wo das Personal sie begrüßte. Auch ein paar zählebige alte Männer waren unter den Passagieren, außerdem zwei Reiseleiter mit russischen Sprachkennt nissen. Weit über hundert agile und neugierige Frauen schleppten ihre Kunststoffkoffer an Bord und bezogen ihre Kabinen.
Pastor Huuskonen band Sapperlot den Maulkorb um und ging mit ihm in die Stadt. Überall herrschte hoff nungsloser Verfall. In den Parks war der Rasen nicht gemäht, die Betonbalkons der Wohnhäuser waren ver wittert und schienen kurz davor abzubrechen, die Stra ßen hatten Schlaglöcher. Die Gesichter der Leute wirk ten hart und schicksalsergeben. Auf den Eingangsstufen vor einem kleinen Hotel schimmerte eine große rote Pfütze. Menschenblut, erfuhr Oskari Huuskonen von ein paar finnischen Bärenjägern, die damit beschäftigt waren, zur Nacht die Scheinwerfer ihrer Geländewagen abzumontieren. Sie kamen aus Ivalo und hatten Bären hunde bei sich, die sie in den Wäldern der Halbinsel Kola an richtigen Bären ausbilden wollten. Als die Hun-de Sapperlots Raubtiergeruch witterten, veranstalteten sie einen wilden Lärm und mussten in den Autos einge schlossen werden.
»Als wir heute Morgen aus dem Hotel kamen, lag hier auf den Stufen ein toter Russe«, erzählte einer der Jäger. »Seine Kehle war von einem Ohr bis zum anderen auf
geschlitzt«, bestätigte ein anderer. Bisher hatte niemand die Blutlache weggewischt, der Leichnam war allerdings fortgeschafft worden.
»Hier wagt man keine Nacht ohne sein Elchgewehr zu schlafen«, erklärten die
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